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gräflich-badischen Orten waren. Viele von ihnen kannten die alte Ordnung, wie
sie vor den großen Kriegen — nämlich dem Dreißigjährigen und dem französischen
Brand im Jahre 1677 — bestanden hatte, nicht. Sie waren erst nach Kriegsende
zum Wiederaufbau aus Vorarlberg, Tirol, Schwaben und der Schweiz eingewandert
. Von den Obrigkeiten waren der Amtmann und der Landschreiber aus Lahr
sowie der Amtmann aus Mahlberg erschienen. Es waren dies die Herren: Heinrich
Ernst von Lawenstein und Philipp Moritz Vinther aus Lahr sowie Franz Ernst
Olisy aus Mahlberg. Sie verlasen im Namen ihrer Regierungen die Artikel und
Freiheiten. Es wurde hervorgehoben, daß alles, was die Zunft besaß, durch die
Kriege verlorengegangen war.
Damit aber der Handwerksbrauch gegenüber anderen „Einwohner und benachbarter
Zunftgenossen ab dato füglicher und bessere Ordnung sei", soll die Zunft
wieder errichtet werden. Durch die Wiedereinführung der Zunft erhoffe sich die
Regierung, daß sie „die hohe authoritet und Intreshe dadurch vermehren", beim
Handwerker aber Mißbrauch und Unordnung hemmen werde. Nach dieser allgemeinen
Einleitung folgten nun die Zunftartikel, die einer Beachtung wert sind.
Zu den Zunfttagen am Sonntag nach Ostern und nach Michaelis mußten alle
Meister erscheinen. Am Zunfttag nach Ostern wurden alljährlich der Zunftmeister
und sein Beisitzer, der „Zugebene", gewählt. Ging der Zunftmeister aus den Zimmerleuten
hervor, so war sein „Zugebener" aus den Steinhauern und Maurern zu
wählen. Fiel die Wahl aber auf einen Steinhauer oder Maurer, so stellten die
Zimmerleute den „Zugebenen". Nach den Bestimmungen mußte der Zunftmeister
mindestens ein Jahr in seinem Amt verbleiben. In dieser Zeit hatte er vor allem
über Einnahmen und Ausgaben Buch zu führen und für die Eintragungen in das
Zunftbuch zu sorgen. Zu diesem Zweck konnte er einen Zunftschreiber ernennen.
Die Einnahmen beschränkten sich auf die Zunftgebühren und die ausgesetzten
Strafen, die zum Teil beim Amt abgeliefert werden mußten. Alle Zunftgegenstände
, wie: Zunftordnung, -buch, -rechnungen, -fahne und Wappen, waren vom
Zunftmeister und seinem „Zugebenen" ordentlich in 'der mit zwei Schlössern beschlagenen
Zunftlade zu verwahren. Je einen Schlüssel besaß der Zunftmeister und
der Zugebene. Nur von ihnen durfte die Lade geöffnet werden. Es kam öfters
vor, daß außerhalb der vorgeschriebenen Zunfttage Sitzungen notwendig waren.
In diesem Fall wurden die Meister durch den vom Zunftmeister benannten Zunftboten
benachrichtigt. Die Bekanntgabe mußte mindestens 24 Stunden vor der Versammlung
erfolgt sein. Während an den Zunfttagen ein gemeinsamer Gottesdienst
vorausging, war dieser für gewöhnliche Sitzungen nicht vorgesehen. Säumige Mitglieder
hatten einen beachtlichen Geldbetrag als Buße für die Zunftkasse abzuliefern
.
An Zunfttagen mußte auf Anordnung der Regierung eine Amtsperson — in der
Regel der herrschaftliche Amtsschreiber — als Beobachter anwesend sein, wofür er
von der Zunft Diäten zu erhalten hatte. Nicht selten artete diese Sitzung und
zugleich das höchste weltliche Fest der gesamten Bauhandwerker in Trinkgelage
und Streitereien aus. Von der Obrigkeit war darum befohlen worden, bei Zu-
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