http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1969/0078
die maschinelle Zubereitung des Viehfutters, und in den Ställen nimmt die Melkmaschine
dem Bauern die umständliche Arbeit des Melkens ab. Die erste Maschine
dieser Art schaffte sich im Ort 1955 der Landwirt Georg Erb an. Kombinierte
Maschinen für die verschiedensten Feldarbeiten sind gleichfalls allgemein verbreitet
, und da und dort findet man auch den mechanischen Heulader. Durch die
Ortsstraßen rattert der Traktor als kräftiges, anspruchsloses Zugtier, neben dem
sich Pferd und Kuh nur noch schlecht behaupten können. Die Kuh hat als Milchspenderin
noch die besseren Aussichten, das Pferd hat dagegen den schwereren
Teil. Kein Wunder, wenn der Pferdebestand im Ort kaum mehr die Zahl 20 erreicht
. Mit der Maschine hat sich der rationelle, berechnende Gesichtspunkt bei
der bäuerlichen Arbeit eingestellt, und die Fragen der Rentabilität, der Arbeitsersparnis
und des Zeitgewinns spielen eine wesentliche Rolle. Sie nimmt dem
Bauern manche mühselige Arbeit ab und gibt ihm größere Freiheit und Un-
gebundenheit.
Maschine und Technik haben auch im bäuerlichen Haushalt Einzug gehalten.
Man findet in vielen Häusern die Waschmaschine und den Kühlschrank, da und
dort auch die Kühltruhe, die in der bäuerlichen Vorratswirtschaft immer mehr an
Bedeutung gewinnt. Aus der Stube meldet sich das Radio. Es bringt nicht nur
Unterhaltung, es gibt in seinen fachlichen Sendungen auch Belehrung und Beratung
und vermittelt den für die Feldarbeit wichtigen Wetterbericht. Auch das
Fernsehen hat in verschiedenen Häusern Einzug gehalten. Nicht selten kann man
auch neben dem alten Bauernwagen auf dem Hof ein blitzneues Auto sehen,
dessen Besitzer offenbar der Bauer selbst ist, und da fällt es schwer, sich diesen
Mann noch als naives Bäuerlein vorzustellen. Junge Bauernburschen brausen mit
dem Motorrad in die Welt hinaus und sehen dabei an einem Nachmittag mehr
von der Welt als ihre Vorfahren vor zweihundert, dreihundert Jahren in ihrem
ganzen Leben.
Wir erwähnten bereits, daß sich an der Bahnhofstraße in Friesenheim ein
Industriezentrum anzusiedeln beginnt. Die günstigeren Verdienstmöglichkeiten
der Fabriken ziehen die Landbevölkerung immer mehr in ihren Bann. Die bäuerlichen
Kleinbetriebe dagegen können sich, ähnlich wie die alten Werkstattbetriebe,
nur noch mühsam behaupten. Sie müssen sich der Zeit anpassen, wenn sie noch bestehen
wollen. Zwei der alten Schreinerwerkstätten haben sich längst in fabrikmäßige
Großbetriebe umgewandelt (Günther und Bühler). Neue Industrien hielten
Einzug im Ort. Der Chronist verzeichnet neben den alteingesessenen Zigarrenfabriken
Krämer und Eberle (beide haben ihren Betrieb weitgehend automatisiert)
folgende bedeutendere Unternehmen: eine Kartonagenfabrik, eine Kokosweberei,
ein Furnierschälwerk, eine Modellbau- und Spielwarenfabrik, eine Wäschefabrik,
eine Fabrik für Feingerätebau. Erwähnen wir zum Schluß noch die beiden Großgärtnereien
Huber und Maassen.
Überblickt man die Entwicklung, so kann man, ausgehend von einer ursprünglich
rein bäuerlichen Bevölkerung, folgende großen Veränderungen feststellen und auf
wenige Punkte bringen:
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