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Rugersweiler, ein späterer Ortsteil von Friesenheim
von Karlleopold H i t z f e 1 d
Unser so stattliches Friesenheim ist erst im Laufe der Zeit zur jetzigen Einheit
und Größe zusammengewachsen. Am nächsten beieinander lagen anfangs die Meierei-
Verbände der Tiersberger (später Geroldsecker) und der Abtei Schuttern. Sie
bildeten miteinander eine Markgenossenschaft, die das Wasser, die Wege, die
Weide und den Wald gemeinsam benutzen und betreuen mußten.
Zu diesen beiden kam später noch ein weiterer Markgenosse: der Dinghof-
(= Meierei-)verband Rugersweiler. Er war die Rodung auf einem Waldbesitz der
Abtei Gengenbach, wohl schon vor 1200, erstmals erwähnt 1061'). Das ging so zu:
Die Abtei bestimmte einen Ruoger als erfahrenen, bewährten Bauernmeister, der aus
nachgeborenen Söhnen abteilicher Bauern eine Rodungsgemeinschaft zusammenwarb, hier
vermutlich aus elsässischen Dinghöfen der Abtei. Auf diese Weise hatten sie die Aussicht,
selbständige Bauern zu werden. Sie rodeten gemeinsam den vom König der Abtei zugewiesenen
, zuvor unbewirtschafteten Urwald, bauten sich aus den gefällten Stämmen
nach fränkischem Brauch Holzhäuser, verbrannten die ausgestockten Wurzeln und die
Dolden zur Bodendüngung, bewirtschafteten einige Jahre gemeinsam das gerodete Land
in den üblichen Drei Oeschen (geschlossene Feldmarken zu einheitlicher Bewirtschaftung
für 1. die Winterfrucht, 2. die Sommerfrucht, 3. das Brachland, die jährlich wechselten),
bis eine reife Bodenkrume entstanden war und sie sich ein ungefähres Urteil über den
Ertrag bilden konnten. Endlich teilte der Bauernmeister den Boden in ungefähr gleichwertige
Bauerngüter mit Feld aus jedem der drei Oesche, die er unter seine Röderer ausgab
. Als er die Höfe als Erbegüter übergab, erhielt jeder den Lehensbrief, in dem auch
die Abgaben angegeben waren. Sie bildeten auch in Zukunft einen Dinghofverband, der
nach ihrem Bauernmeister Ruogerswiler genannt wurde.
Meister Ruoger war der abteiliche Verwalter, lateinisch maior, woraus das Lehnwort
Maier entstand. Er wird zuweilen auch Vogt (Dorf-Vogt) genannt. Die Maier der Frühzeit
gehörten der obersten sozialen Schicht an, aus welcher der niedere Adel hervorging
in Verbindung mit dem Kriegsdienst. Entsprechend waren ihre Aufgaben: sie regierten
selbstherrlich den Dinghofverband, erließen Gebote und Verbote (Zwing und Bann),
sammelten die Abgaben der abhängigen Bauern in einem besonderen Speicher zum Verkauf
und hielten das niedere Gericht ab in bürgerlichen und strafrechtlichen Fällen.
So war es also in Ruogerswiler. Die Fläche dieses neuen Weilers grenzte unmittelbar
an Friesenheim und an den damaligen Freihof Heiligenzell, der der Abtei Schuttern
gehörte und in ähnlicher Weise ein Meiereiverband war2).
In diesem Rahmen ging das Leben in Ruogerswiler weiter seinen Gang. Aber
gar zu gerne wüßten wir etwas über seine weiteren Schicksale. Allein da schweigen
alle Quellen, was uns sehr bedenklich stimmen muß. Nach 1400 hört man nie mehr
etwas von Ruogerswiler. Ein tragisches Geschick hat nämlich die Bewohner betroffen
, über das wir andeutungsweise etwas wissen.
Die feindlichen geroldseckischen Brüder verwüsteten sich zwischen 1426 und
1434 gewissenlos gegenseitig ihr schönes Land. „Viele Höfe und einige kleinere
Ortschaften verschwanden."3) Zu den so unglücklich Heimgesuchten gehörte vor
allem Ruogerswiler, teilweise aber auch Heiligenzell. Mit andern Worten, die
Häuser von Ruogerswiler sind einem Dorfbrand zum Opfer gefallen.
1) L. Heizmann, Der Amtsbezirk Lahr in Vergangenheit und Gegenwart: M G Diplomata reg. et imp.
Germ. III, 445; Urk. v. Nov. 1287, GK. 2) Die Ortenau 1%2, 87. 3) Die Ortenau 1934, 345; 1964, 54.
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