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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
49. Jahresband.1969
Seite: 86
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niederlassen. Aus den paar Tagen wurden jedoch mehrere Wochen. Für jede Woche sollten
sie 4 Reichstaler entrichten. Als sie mit der Zahlung des Schirmgeldes im Rückstand
blieben, befahl ihnen der Rat, „sub poena (unter Strafe) und Verpietung der Visitation
die Solution (Zahlung) zu leisten". Als aber die Reichsstadt hohe Kontributionen zahlen
mußte und der „gemeine Säckel erschöpft" war, beschloß man, mit den Willstätter Juden
zu verhandeln, „damit die Contribution in guetem Geld uffgewixlet (umgewechselt)
werde". Durch diese finanzielle Hilfeleistung ermutigt und durch den drohenden Einfall
feindlicher Truppen getrieben, zogen sie im Mai 1631 mit Weib und Kind und ihrer
Habe kurzerhand vor das Offenburger Neutor und baten um Aufnahme. Der Rat „wies
sie zur Geduld, da man nicht wisse, wie es der Stadt selbst ergehe", gestattete ihnen aber
schließlich die Niederlassung. Als die Niederschopfheimer Juden Abraham und Marx
davon hörten, begehrten auch sie die „Visitation", die ihnen bei Zahlung von 6 Gulden
„oder mehr nach des Ehrsamen Rats Gefallen" bewilligt wurde. Im Juni 1632 wies aber
der Rat, gestützt auf ein Urteil des Rottweiler Hofgerichts, Isaac Jud den Kahlkopf aus
der Stadt, weil er durch Aufkauf von Haber das Gemeinwesen finanziell geschädigt hatte.
Dies mag auch der Grund für die schroffe Abweisung gewesen sein, als Isaac Jud und
Moses Mayer aus Willstätt nach Zerstörung des Fleckens an den Rat die flehentliche Bitte
richteten, sie „umb ein billiges Schirmbgeld allhie zu gedulden". 1637 wurden Jakob und
Jäklin Jud „auf Wohlverhalten" gegen Entrichtung von 12 Pfund Pfennig aufgenommen,
nachdem sie versichert hatten, „sich aller wucherlichen Contracten zu enthalten". Begünstigt
durch die furchtbaren Kriegswirren, die eine Kontrolle erschwerten, haben sich
in den folgenden Jahren offenbar immer mehr Juden in der Stadt niedergelassen. Die
Folge war, daß sich die Bürger beschwerten: die Zugewanderten würden „merklichen Vorkauf
treiben und den Bürgern vorgreifen", d. h. Aufkauf besonders von Lebensmitteln,
die man teuer abzusetzen hoffte. Diese Klagen führten zu dem Ratsbeschluß, daß alle
Juden, die „nicht in Schutz und Schirm angenommen" waren, die Stadt innerhalb von
acht Tagen räumen mußten. Es scheint aber, daß die Kriegsnot die Ausführung dieses
Beschlusses unmöglich machte; denn die Beschwerden der Bürger häuften sich. 1642 klagte
die Schmiedezunft gegen den Juden Jakob Neuß, weil er „allerhand Kaufmannshandel
treibe". Der Rat aber antwortete: „Die Juden mögen forthandeln und am Zinstag ihre
Waren feilhalten, aber sie sollen sich des Hausierens bei den Bürgern enthalten." Der
Jude Jäklin aber mußte ein Strafgeld von zwei Pfund Pfennig „bei Sonnenschein erlegen",
weil er den Stadtboten beschimpft hatte, als dieser ihm das Wochengeld abverlangte. Im
August 1644 erreichte der Streit einen Höhepunkt. Johann Hauser und Daniel Hirsch
führten im Namen der Bürger Beschwerde, weil die Juden „mit allerhand Feylschaften
Hinderniß thuon. Sie halten jeden Tag offenen Laden, wo ihnen doch nur erlaubt ist, an
Markttagen feyl zu haben, und hausieren. Item haben sie vorgeben: wann sie Sonn und
Mond haben, fragen sie nichts nach den Sternen." Durch Ratsbeschluß sollte ihnen nun
das Hausieren „niedergelegt" werden. 1651 forderten die Meister der Schneiderzunft die
„Abschaffung" der Juden. Der Rat aber ließ auch sie wissen, daß die Juden „bis auf
fernere Verordnung geduldet" würden. Lediglich das Hausieren sollten sie unterlassen.
Die Metzger klagten, weil die Juden „schächteten" und Fleisch verkauften. Diese ihrerseits
führten Beschwerde, weil sie einen Leibzoll entrichten mußten, wenn sie auf verkauften
Pferden in die Stadt ritten. Der Rat übte Nachsicht und erließ ihnen die Abgabe.
1652 ergriff sogar die Geistlichkeit Partei für die Bürger. Darauf ließ sich der Jude
Jäklin zu den Worten hinreißen: Dem Kirchherrn müsse „das Maul gestopft werden, daß
er nicht mehr wider die Juden predige"; was der Prediger auf der Kanzel sage, sei
falsch. Ein Schmunzeln überkommt uns, wenn wir folgendes Ratsprotokoll lesen: Einige
Jungen hatten das Haus eines Juden mit Steinen und Kot beworfen und die Fenster eingeschlagen
. Auf Befehl des Rats wurden sie in der Schule „gestrichen" und die Eltern mit
einer Strafe von 5 Schilling belegt. Die Kosten der Fensterreparatur mußte der Jude
jedoch selbst tragen, weil er die Jungen „mit dem Spiegel gereizt und über sie gescholten".

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