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Aus diesen Protokollen geht klar hervor, daß hinter der Feindschaft gegen die
Juden wirtschaftlich bedingter Gegensatz stand. Die Bürger sahen in ihnen lästige
Konkurrenten im täglichen Leben. Und wenn der Rat nicht immer im Sinne der
Bürger handelte und den Juden bisweilen entgegenkam, dürfte er an die Judenschutz
-Steuer gedacht haben, durch welche die finanzielle Notlage der Stadt
erleichtert werden konnte. Diese Vermutung wird durch den Protokoll-Eintrag
vom 10. März 1653 bestätigt: „Die Juden sollen insgesamt angelegt werden und
daraus etlich 100 Klafter Holz gehauen und dem Postmeister in Straßburg etwas
in Abschlag davon Übermacht werden." Und im Februar 1676 wurden die Juden,
die „Handtierung trieben, vorbeschieden", damit das Schutz- und Schirmgeld eingezogen
werden konnte.
In diesem Jahr drohte der gesamten Judenschaft die Ausweisung. Die Ursache war ein
gefährliches Gerücht. Der Stadtkommandant hatte berichtet, er habe von dem Landvogt
(der Reichslandvogtei Ortenau) gehört, die Offenburger Juden hätten mit denen von
Breisach, das seit 1648 in französischem Besitz war, „conspiriert und würden eine Ver-
räterei mit hiesiger Stadt planen". Er ersuchte den Rat, die Juden „auszuschaffen", andernfalls
wolle er sie „also tractiren, daß sie Anlaß nehmen würden, die Stadt zu quittieren".
Wenige Tage darauf wurden die „schirmbsverwandten" Juden Salomon von Grafenhausen,
Samuel von Rust, Hirsch-Levi von Kippenheim und Jakob von Orschweier einem Verhör
unterzogen. Sie beteuerten, mit den Breisacher Juden keine Gemeinschaft zu haben; sie
dürften das auch nicht, weil sie Schweinefleisch essen und weder den Sabbat noch die
Gesetze halten. Ihre Vorfahren seien in Offenburg 20 bis 30 und mehr Jahre in Schutz
und Schirm gewesen und hätten einem Ehrsamen Rat und dem damaligen Herrn Kommandanten
ihre Treue wirklich bewiesen. Zu allen Gelegenheiten seien sie gebraucht
worden. Nicht das geringste Mißtrauen sei ihnen entgegengebracht worden. Dem gemeinen
Wesen hätten sie große Geldsummen „zum besten williglich dargeschossen". Sie
selbst hätten ihre Habe und Nahrung, Weib und Kind hierher gebracht. Also seien sie
um so mehr verbunden und willig, mit Leib, Gut und Blut die Stadt verteidigen zu helfen.
Sie seien auch imstande, Feuer zu löschen. Ihr Präzeptor (Lehrer) getraue sich, ein Haus,
dessen Dachwerk in Flammen stehe, noch conservieren zu helfen. Der Ehrsame Rat möge
ihnen die Gnade tun und sie mit Weib und Kind hier belassen. Sie wüßten ja nicht, wohin
sie sich bei diesen armseligen Zeiten begeben sollten. Sie wollten sich so verhalten, daß
niemand Grund habe, sich über sie zu beschweren. Von Ihren Obrigkeiten, besonders Ihrer
Hochfürstlichen Durchlaucht zu Baden beglaubigte Attestation ihres Wohlverhaltens samt
der nötigen Recommendation (Empfehlung) wollten sie vorbringen. Zwei Wochen später
„schworen die gesamten Juden mittels ihres abgelegten Judeneids das juramentum fideli-
tatis in forma extensa (Treueschwur in ausführlicher Form)".
Aus diesem Protokoll darf man schließen, daß sich im Laufe des 17. Jahrhunderts
in Offenburg eine größere Judengemeinde gebildet hat. Dies wird durch
eine spätere Quelle bestätigt. Wir lesen: „Allein es ist bekannt, daß schon vor
dem Schwedenkrieg (1632) mehrere israelitische Familien in hiesiger Stadt wohnten
und zwei Synagogen hatten. Die völlige Zerstörung der Stadt im September 1689
während des Pfälzischen Erbschaftskrieges führte zu ihrer Auflösung.
18. Jahrhundert
Die durch die Katastrophe von 1689 aus Offenburg vertriebenen Juden ließen
sich in benachbarten Dörfern nieder. In Durbach und Diersburg sind im Lauf des
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