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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
49. Jahresband.1969
Seite: 97
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Während diese Vorgänge nicht so sehr in die Öffentlichkeit drangen, erregte der
Boykott gegen die jüdischen Geschäfte am 1. April 1933 die Gemüter. Auch in
Offenburg verteilten an diesem Tag Posten der SA und SS vor diesen Geschäften
Flugblätter. Es folgten weitere judenfeindliche Maßnahmen wie der Ausschluß der
jüdischen Geschäfte bei der Belieferung von Fürsorgeempfängern und die Ablehnung
bzw. Kürzung der Fürsorgeunterstützungen für jüdische Hilfsbedürftige.
Schließlich wurde den Juden der Besuch von Gaststätten und Geschäften verboten.
Die Schilder „Juden unerwünscht" wurden immer zahlreicher. Die Schulen und
Kindergärten durften keine jüdischen Kinder mehr aufnehmen.

Der Stadtrat übte hin und wieder eine gewisse Zurückhaltung. Während er zwei
jüdischen Witwen den Bürgernutzen, den sie noch genossen hatten, entzog, erteilte
er im Dezember 1935 der Witwe Hedwig Weil die Erlaubnis zum Betrieb einer
Gastwirtschaft. Im August 1937 legte er das Gesuch des Max Weil um Errichtung
einer Wirtschaft dem Bezirksamt befürwortend vor. Dagegen hatte er im Oktober
1936 beschlossen, in der Stadt vier antisemitische Spruchtafeln aufhängen zu lassen.
Im April 1937 hatte die Stadt das Mietverhältnis mit der Firma Hauser und Levi
gelöst. Der Firma Gebr. Kahn (Manufakturwaren en gros), die städtische Räume
im Gebäude Kornstraße 4 gemietet hatte, wurde im November 1938 nahegelegt,
sich nach anderen Räumen umzusehen. Seit dem 11. Juli 1938 hing auch vor dem
städtischen Schwimmbad eine Tafel mit der Aufschrift „Juden sind hier unerwünscht
".

Die Vorgänge der sogenannten „Kristallnacht"

In der Nacht vom 10. auf 11. November 1938 meldeten die Rundfunkstationen:
„Die Synagogen brennen." Die Offenburger Synagoge brannte zwar nicht nieder,
aber die Vorgänge in unserer Stadt waren stürmisch wie in anderen Städten.

In der genannten Nacht erhielt der Kreisleiter von der Gauleitung eine fernmündliche
Durchsage des Reichspropaganda-Ministeriums: Als Vergeltung für die
Ermordung des Gesandtschaftsrats Ernst vom Rath durch den Juden Grünspahn
sei eine Aktion im Gang, die im Zusammenwirken von SS und Polizei durchgeführt
werde. Die Partei solle sich jedoch offiziell an der Aktion nicht beteiligen.
Deren Durchführung sollte den Eindruck erwecken, daß es sich um eine „spontane
Explosion der kochenden Volksseele" handle. Tatsächlich war es eine von langer
Hand vorbereitete und zentral geleitete Aktion. Die Polizei und das Landratsamt
hatten die Weisung erhalten, „bei eventuellen Ausschreitungen Gewehr bei Fuß zu
stehen". Mit der eigentlichen Exekution war die SS beauftragt. Die NS-Partei
arbeitete im Hintergrund. Während die SS fest entschlossen war, die Synagoge in
Brand zu stecken, wehrte sich die Polizei mit Erfolg gegen dieses Vorhaben; denn
das Niederbrennen des Bethauses mußte die umstehenden Gebäude aufs höchste
gefährden.

Die Aktion begann in den frühen Morgenstunden des 10. November mit einem
Vorspiel. Vier Männer, die sich als Organe der Geheimen Staatspolizei ausgaben,
erzwangen den Einlaß in die Synagoge, schössen mit Pistolen auf die brennenden

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