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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
49. Jahresband.1969
Seite: 101
(PDF, 74 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1969/0103
und Reichsstatthalters ihr gesamtes Vermögen beschlagnahmt, dem Land Baden für
verfallen erklärt und dem Landratsamt — Abteilung jüdisches Vermögen — zur
Verwaltung übergeben. Am 25. Oktober traf der Transport in Gurs ein. Hier,
am Fuß der Pyrenäen, nicht weit vom Wallfahrtsort Lourdes entfernt, befand sich
ein Internierungslager, das 1936 während des spanischen Bürgerkriegs entstanden
war, um spanische Flüchtlinge aufzunehmen. In diesem Barackenlager inmitten
einer einsamen, verlassenen Heide mußten die armen Menschen einen furchtbaren
Leidensweg gehen. 27 Offenburger sind dort gestorben. Im Juli und August 1942
wurden die Häftlinge unter 65 Jahren nach dem Osten, meist nach Auschwitz,
transportiert und erlitten dort den Tod durch Vergasung. Die wenigen älteren
Juden, die in Offenburg verblieben waren, wurden bei der Lebensmittelzuteilung
auf immer geringere Rationen gesetzt, waren mit dem Judenstern gebrandmarkt
und wurden von der Mehrheit der Bevölkerung gemieden. Vier wurden in den
Jahren 1942 und 1944 nach Theresienstadt und Izbica deportiert und fanden dort
den Tod. Bei Kriegsende lebten in Offenburg noch drei Juden.

Schlußwort und statistische Zusammenstellung

Die folgende Statistik beruht auf den im Jahre 1966 von Oberstaatsarchivrat
Dr. Paul Sauer im Auftrag der Archivdirektion Stuttgart bearbeiteten „Dokumenten
über die Verfolgung der jüdischen Bürger in Baden-Württemberg durch das
nationalsozialistische Regime 1933—1945". Sie weist eine erschütternde Bilanz auf.

Am 16. Juni 1933 (Tag der Volkszählung) lebten in Offenburg 271 Juden. Nach
Mannheim (6402), Karlsruhe (3176), Freiburg 1138), Pforzheim (770), Bruchsal
(501), Konstanz (443) und Emmendingen (296) stand unsere Stadt an achter Stelle.
Der eigentliche Stichtag sollte jedoch der 30. Januar 1933, der Tag der Machtübernahme
durch Hitler, sein; denn zwischen diesem Tag und dem 16. Juni haben
einige jüdische Familien Offenburg verlassen. Die Zahl der Offenburger Juden
dürfte also zu Beginn des Jahres 1933 mindestens 300 betragen haben. Bei der
Volkszählung im Mai 1939 wohnten in unserer Stadt noch 98 Juden. Vor dem
10. November 1938 (Kristallnacht) sind etwa 60 Juden abgewandert. Zwischen
diesem Termin und dem 22. Oktober 1940 waren es ebensoviele. 14 sind zwischen
1933 und 1945 in Offenburg gestorben. 21 siedelten in andere deutsche Städte
über. Ihr ferneres Schicksal ist nicht bekannt. 23 wanderten nach Frankreich aus,
20 nach Palästina, 15 nach Südamerika, je 4 nach England und Belgien, 3 nach
Liechtenstein, je 2 nach Holland, in die Schweiz und nach Südafrika, je 1 nach
Schweden, Dänemark und Italien.

Die Zahl der am 22. Oktober 1940 nach Gurs Deportierten beträgt 91.
27 starben dort, zwischen 10 und 15 kamen in südfranzösischen Lagern (besonders
Noe, Rivesaltes und Drancy) um. 22 wurden nach Auschwitz und 5 nach Lublin-
Majdanek verschleppt und dort ermordet. 36 haben Gurs überlebt. 11 Juden mußten
zwischen 1942 und 1945 die Deportation nach Theresienstadt und Izbica
erleiden; 10 starben dort, eine Person schon auf dem Weg dorthin, und eine weitere
hat den Aufenthalt in diesem Lager überlebt.

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