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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
49. Jahresband.1969
Seite: 145
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gaben nur wenige Monate erfüllen können, da am 1. August 1914 der erste Weltkrieg
ausbrach.

Bereits am 31. Juii 1914, mit der Erklärung des Kriegszustandes, verkehrten die Schnellzüge
nach Paris nur noch bis Straßburg, und ab 4. August 1914, dem dritten Mobil-
machungstage, trat der Militärfahrplan in Kraft. Für den Zivilverkehr blieben zwei bis
drei Züge pro Tag auf jeder Strecke übrig und diese fuhren nur mit 20 bis 25 km/h,
also noch langsamer als zu Zeiten der ersten Eisenbahn. Der Bahnhol Ottenburg, gerade
rechtzeitig fertig geworden, war stark belastet sowohl als Ein- und Ausladebahnhof für
Militärzüge, als auch als Durchgangsbahnhof für Züge über die Rheinbrücke zur Front.
In den ersten Kriegstagen wurden nach der Schlacht bei Mülhausen Verwundetenzüge
nach Ottenburg gefahren. Die zentrale Lage des Bahnhofs innerhalb der Militärtransportstraße
und der Betriebshalt, den hier alle Züge erfuhren, ließen in Offenburg eine Verpflegungseinrichtung
erstehen, die vom Deutschen Roten Kreuz mit aufopfernder Unterstützung
der Bevölkerung während des ganzen Krieges aufrechterhalten wurde und die
sowohl Soldaten als auch Flüchtlinge betreute. Da im Gegensatz zu den ersten Kriegstagen
des Siebziger Krieges die Strecke nicht gesperrt wurde, war der Fahrplan zwar dünn, aber
die Züge verkehrten wenigstens durchgehend als Personenzüge. Mit Ausweitung der Fronten
trat sogar eine Verbesserung ein, und es verkehrte danach noch ein „Balkanzug" Straßburg
—Kehl—Konstantinopel. Im Sommer 1915 aber begann eine Bedrohung, die die ganze
Bevölkerung in großen Schrecken versetzte: Der Gegner begann vorwiegend Eisenbahn-*
knotenpunkte aus der Luft zu bombardieren. Auch der große Bahnhof Offenburg blieb
davon natürlich nicht verschont. Am 23. August 1915 erfolgte der erste Fliegerangrift.
Getroffen wurde ein Gleis unmittelbar bei der Zähringer Brücke, und es entstand gleichzeitig
der erste Schaden an Häusern in der Umgebung der Bahn. Immer häufiger und
schwerer wurden von nun an die Angriffe und erforderten neben schweren Schäden an
den Bahnanlagen, darunter mehreren Treffern innerhalb des Empfangsgebäudes, zahlreiche
Menschenleben. Bereits damals wurde mit der Sirene gewarnt, der „drohende Angriff"
wurde durch eine Signalbombe angezeigt, die der wachhabende Polizist abschoß und deren
Abschußrohr im Blumenbeet der damaligen Anlage beim Wetterhäuschen auf dem Marktplatz
eingegraben war. Bei Alarm mußten Reisezüge den Bahnhof vorzeitig verlassen,
einfahrende Züge wurden auf Vorbahnhöfe gestellt.

Mit zunehmender Kriegsdauer und der Verschlechterung der allgemeinen Versorgungslage
trat ein neuer Typ des Reisenden auf, der „Hamsterer". Das Verkehrsmittel
Eisenbahn erwies sich auch für diesen Zweck als recht geeignet. Allerdings
waren diese Hamsterer außer den Soldaten wohl die einzigen Reisenden
dieser Zeit, und sie erlebten auf ihren risikoreichen und beschwerlichen Fahrten in
unbeleuchteten, ungeheizten Wagen, in denen zum Teil sogar die Fenster fehlten,
den kriegsbedingten Niedergang ihrer Eisenbahn.

Das Ende des Krieges bedeutete auch den Zusammenbruch des Eisenbahnverkehrs
, allerdings nur für kurze Zeit, denn schon mußten die ersten Vorbereitungen
für die Aufgaben der Bahn bei der „Demobilmachung" getroffen werden. Durch
die Besetzung Straßburgs am 19. November 1918 und später Kehls durch die
Franzosen war der Bahnhof Legelshurst „Grenzbahnhof" geworden. Hier endeten
die wenigen deutschen Züge, und über ihn rollten auch die Lokomotiven und
Wagen, die nach strengen Ubernahmekontrollen in Offenburg vertraglich an die
Siegermächte abzuliefern waren8).

8) Vertraglich waren deutscherseits abzuliefern: 5000 Loks, 150 000 Wagen und 5000 Autos, von denen
ein Teil über Kehl rollte.

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