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Stützungsbedürftigkeit bedrückend vermehrte, wie es weiter in diesem Bericht
heißt.
Im Jahre 1851 entschloß sich dann, in Folge dieser traurigen Zustände, die
Regierung, einen Teil der Bewohner auf Staatskosten nach Nordamerika zu befördern
, wozu pro Person 100 fl. bewilligt wurden. Im Frühjahr 1851 stellte eine
Kommission diejenigen Bewohner der Kolonie fest, die sich bereit erklärten, nach
Nordamerika auszuwandern. Nach einem Bericht des Bezirksamts Gengenbach
vom 31. Mai 1851 beschwert sich dieses über die Kommissäre, die die Auswanderer
zusammengestellt hatten, wie nachstehend aufgeführt:
Wie wir aus zuverlässiger Quelle erfuhren, wurden den betreffenden Auswanderern
von Seiten der Herrn Kommissäre so bestimmte Zusagen gemacht, daß
sie daraufhin sich zur Auswanderung bereits vorbereiteten und den nicht zur
Reise selbst erforderlichen Teil ihrer geringen Habe versilberten, so daß dieselben,
wenn sie nicht alsbald nach Amerika befördert werden, sozusagen nicht mehr
wissen, wo sie ihr Haupt niederlegen sollen. So soll z. B. eine Mutter mit fünf
Kindern ihre zwei Gaisen, außer dem erbettelten Brote, einzige Nahrungsquellen
für sich und ihre Familie verkauft, und in der schönen Hoffnung, bald in
das gelobte Land zu kommen von dem Kaufschillinge seither gelebt und solchen
aufgebraucht haben, so daß sie sich nun in die größte Not versetzt und nun verzweiflungsvoll
in die Zukunft sieht.
Die Betreffenden waren, ehe man ihnen die Auswanderungslust rege machte,
trotz ihrer kümmerlichen Existenz doch noch zufrieden, sie wußten nichts anderes.
Jetzt hat man ihnen aber goldene Berge vorgemacht. Im Vertrauen, daß nun auch
für sie bessere Tage kommen würden, haben sie nach vielen Bedenken den Entschluß
gefaßt, ihr Vaterland zu verlassen, jeden Tag darauf gewartet, daß die
ihnen gemachten Zusicherungen einer Reiseunterstützung anlangen würde, und in
dieser sicheren Erwartung in den Tag hineinlebend ihren letzten Kreuzer nun verzehrt
, und jetzt hat der Staat für die armen Unglücklichen kein Geld, um sein
Versprechen halten zu können. Zu dem seitherigen Unglück kommt nun auch noch
der Hohn des tückischen Geschicks und bringt diese Menschen auf den höchsten
Punkt des Elends; kurz, ein Schrei der Verzweiflung war ihre Antwort auf den
hohen Finanzministererlaß.
Sollte Großherzogliches Finanz-Ministerium wirklich die erforderlichen Mittel
nicht mehr auftreiben können, so ist es mindestens doch Pflicht der Menschlichkeit
dafür zu sorgen, daß die Existenz der Armen bis zum nächsten Jahre, wo die
Mittel flüssig werden sollen, durch Arbeitsgelegenheit und in sonstiger Weise gesichert
wird, und vertrauensvoll wenden wir uns namens der Unglücklichen an
Hochpreisliches Ministerium des Innern, um in irgend einer Weise und recht bald
die Hilfe zu schaffen. Gengenbach, den 31. Mai 1851
Großherzogliches Bezirksamt: Bode
Wie aus den Akten zu ersehen ist, wurde für diese mutige Meinungsäußerung
gegenüber der vorgesetzten Behörde, dem Vorsteher des Bezirksamts Gengenbach,
Herrn Oberamtmann Bode, eine Rüge erteilt.
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