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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
49. Jahresband.1969
Seite: 254
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1969/0256
viel zu schaffen2). Mein Vater war nicht zu Hause, als ich die erste Probe an einem
Mädchenkopf machte, den ich nach einem Kupferstich kopierte. Ich malte mein Bild, gleich
den früheren Sachen auf ein Brett gespannt, auf dem Tisch liegend. Bald war ich fertig.
Ich hatte eine große Freude, und stellte mein Gemälde aufrecht auf das Ofengesimse, um
es von ferne zu sehen, lief fort, so geschwind ich konnte, suchte meinen Vater, ihm die
freudige Nachricht zu bringen, daß ich schon fertig sei und bat ihn, mit mir nach Hause
zu gehen, es zu betrachten. Dies alles verzog sich wohl eine Stunde, und als wir meine
Arbeit zu Gesicht bekamen, konnten wir kaum noch erkennen, was es hat sein sollen;
denn die flüssigen, an mehreren Stellen häufig aufgetragenen Ölfarben waren so durcheinandergelaufen
, daß sie tropfenweise auf dem Ofen herumlagen. Mein Vater, über meine
Dummheit sehr aufgebracht, gab mir eine solche derbe Lektion, die Farben künftig
trockener zu reiben, daß ich sie mehrere Tage in allen meinen Gliedern spürte. Ich glaube,
wenn meine Liebe nicht so groß zur Malerei gewesen wäre, ich hätte den Mut dazu verloren
.

Zu gleicher Zeit erhielt ich von dem dortigen Chirurgen Hildebrand3), der für ein
äußerst gelehrter Mann galt, ein altes Buch, dessen Titel ich nicht mehr weiß, in dem verschiedenes
über die Malerei abgehandelt wurde, und worin einige schlechte Kupferstiche
mit Abbildungen mehrerer zur Malerei nötigen Werkzeuge waren. Nach diesen Mustern
ließ mir mein Vater einiges machen, und einiges zimmerten wir selbst zusammen, z. B.
Staffelei und dergleichen. Ich fing mein Geschäft wieder aufs neue an. Bald fand ich, daß
das Leinöl mir meine Farben trübe. Ich nahm also meine Zuflucht zum Rapsöl, von dem
ich aber sogleich die Bemerkung machte, daß es nicht trocknete, und also gebrauchte ich
Magsamenöl (Mohnöl!), womit ich mich gut befand.

So führte mich teils Studium, teils Zufall immer weiter, und ich trieb das Ding
so fort bis in mein 15. Jahr. Ich machte täglich Fortschritte, unternahm alles,

2) Da um diese Zeit der Stubenofen geheizt war, muß es sich bei dem erwähnten Jahrmarkt um
Wolfachs größten Markt, den sog. Kuchenmarkt handeln, der für das obere Kinzigtal eine Art Volksfest
darstellt. Bei der damals großen Zahl von Wolfacher Gaststätten ist verständlich, daß der Bub sicher
eine Stunde brauchte, bis er den Vater heimbrachte. Und da es dem alten Soldaten wohl auch im Wirts-
hausumtrieb recht behagte, daß er sich nicht gern trennen mochte, ist dies sicher auch ein Grund für den
doch recht harten Temperamentsausbruch der väterlichen Gewalt.

3) Markus Xaver Hildebrand (oder Hlldbrand), Chirurg in Wolfach, geb. 25. 4. 1742, gest. 26. 6. 1813
nach freundlicher Auskunft von Stadtarchivar Ferdinand Häufle, entstammte einer weitläufigen Wolfacher
Familie, aus der u. a. Johann Georg Hildbrand, der Kunstmaler, geb. 13. 2. 1670, hervorging, der verschiedene
größere Aufträge ausführte, so z. B. in St. Blasien, Gengenbach und Haslach i. K. Sein Sohn
Franz Ignatius Flildebrand oder Hildbrand, geb. 31. 8. 1708, gest. 4. 6. 1784, war ein Groß-Vcttcr des
Chirurgen Markus Xaver Hildebrand. Und von ihm, der hier noch durch etliche Gemälde, bes. in der
Schloßkapcllc, vertreten ist, hat wohl der Chirurg die Malergeräte, wie auch das gen. Buch übernommen
, das er dann dem jungen Seele gab, weil anzunehmen ist, daß Scelcs früh erwachtes Talent im
damals nur kleinen Städtle Wolfach schon bekannt war. Sicher hat er auch oft genug in der Schloßkapelle
die vielen Gemälde mit aufgeschlossenen Blicken bestaunt, dabei auch eben die Bilder der beiden Hild-
brands, die seinem Talent und seinem Wunsch, Maler zu werden, in ihrer großen Anzahl noch den entsprechenden
Ansporn verliehen, wie sie auch für den jungen Joseph Moser, den späteren Kunstmaler, von
starkem Eindruck waren. Dies um so mehr, als Kinder aus bescheidenen Verhältnissen damals noch nicht
so viele Ablenkungen hatten wie heute. Und wenn Seele weiter berichtet, daß er Votivbilder malte, so
ist sicher anzunehmen, daß er gerade für solche hier in der Schloßkapelle genügend Anregung bekam. Von
den noch vorhandenen Votivbüdern läßt jedoch keines auf Seele schließen. Bei Vergleich mit der schon
guten Technik Secles an seinen andern Bildern mit der Qualität der noch vorhandenen Votivbilder fallen
diese doch sehr durch ihre bäuerlich primitive Malweise gegen Seeles Kunst ab. Wenn er nun in seiner
Lebensbeschreibung das große Antependiumsbild „Christus im Grab", das er 1788 malte und wofür er auch
bezahlt wurde, nicht erwähnt, so wohl deshalb, weil dieses Bild aus seiner Kindheit, also vor seiner Ausbildung
, dem zur künstlerischen Reife gelangten Hofmaler nimmer erwähnenswert schien. Es gibt ja
ähnliche Fälle, in denen Künstler später ihre Jugendarbeiten sogar vernichteten, weil sie sich ihrer Unvoll-
kommenheit bewußt wurden. Aus solchem Grund schweigt er wohl auch über das Schweißtuch-Bild, das
man ihm zuschreiben muß.

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