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wohl eignet. Dennoch hat die Akademie vortreffliche Köpfe gebildet, und Württemberg
hat ihr die vorzüglichsten Subjekte, die es nun hat, zu verdanken. Die
Lehrabteilungen waren eigens eingeteilt. Die Maler, Bildhauer, Architekten und
Kupferstecher bildeten eine eigene Abteilung, welche ungefähr 30 junge Leute enthielt
. Unter denen, die sich der Malerei widmeten, war ich der jüngste an Jahren
und blieb es bis zum letzten Vierteljahr meines dortigen Aufenthalts. Ich mußte
die Kunst wieder von vorn anfangen, nämlich ich zeichnete Augen, Nasen und
Mäuler, machte aber so schnelle Fortschritte, daß ich in vier Wochen schon nach
der Natur zeichnete, welches das höchste Studium junger Künstler ist. Alle Jahre,
nicht lange vor Ostern, wurden Preise unter die besseren ausgeteilt, die in silbernen
Medaillen bestunden. Bei den 4 Fächern der Künste aber wurde nur eine gegeben.
Es mußten daher die 4 besten, also von jedem Fach einer, mit 3 Würfeln um den
Preis spielen, welches im Beisein des Herzogs und der sämtlichen akademischen
Professoren, Lehrer und Offiziere geschah. Ich wurde unter den Malern nach dem
allgemeinen Ausspruch auf Ostern 1790, also nachdem ich nur ein halbes Jahr in
der Akademie war, um den Preis zu spielen zugelassen, hatte aber doch das
Unglück, ihn zu verlieren. Doch erhielt ich als erster in meiner Lehrabteilung das
Band. Dieses bestund in einem 2 Finger breiten, gelben Bande mit roten Enden
und wurde auf der rechten Schulter bei der silbernen Achselschlinge getragen,
welche Auszeichnung ich auch behielt, solange ich in der Akademie war. Bei der
folgenden Preisverteilung vor Ostern 1791 spielte ich wieder um den Preis, habe
aber mit 3 Würfeln nur 4 geworfen, konnte also sehr begreiflich den Preis nicht
gewinnen, was mich sehr schmerzte. So sehr nun diesem nach meine Professoren
mit mir zufrieden sein konnten und es auch waren, so wenig waren es andere,
nämlich der Herzog und meine Offiziere; denn ich konnte mich durchaus nicht in
die strenge Ordnung finden, die öfters ganz ins Kleinliche ging. Denn man war
schon straffällig, wenn man einen Knopf an der Weste zuviel oder zu wenig zuhatte
, und wenn dann noch von irgendeinem Kameraden ein ausgelassener Streich
verübt wurde, so war ich richtig jedesmal dabei, welches mir zwar die Liebe
meiner Mitschüler erwarb, aber die Unzufriedenheit des Herrn Herzogs Karl und
besonders des Obristen von Seeger um so fester gründete.
Es liegt fast allgemein in der menschlichen Natur, mit dem, was man hat, oder, was
man ist, unzufrieden zu sein. Und beinahe jeder wünscht sich das, was er nicht hat oder
nicht haben kann. Jungen Leuten ist dies noch mehr eigen. Wir alle waren es bald überdrüssig
, in der für uns so wohltuenden Ordnung zu leben, und jeder wünschte sich hinaus
ins Freie. So ging es auch mir. Ich hatte einen guten Freund5) (es handelt sich um den
später berühmt gewordenen Maler Josef Anton Koch aus Tirol, der im Dezember 1791
von der Karlsschule nach Straßburg floh und von dort aus seinen Zopf an den Herzog
zurücksandte), der sich gleich mir der Malerei widmete. Dieser und ich redeten miteinander
ab, zu desertieren, welches aber bei uns nichts Seltenes war. Allein, noch ehe
5) Joseph Anton Koch, Maler und Radierer, geb. 1768 in Obergiblen (Tirol), gest. 1839 in Rom; aus
armer Bauernfamilie, seit 1795 meist in Rom; im Anschluß an Carstens und Reinhart Hauptmeister der
heroischen Ideallandschaft des deutsch-röm. Klassizismus. Werke: meist Alpenmotive: Schmadribachfall,
Leipzig und München (1811 bis 1821); Zeichnungen zu Dante und Shakespeare. Lit.: O. R. v. Lutterotti,
J. A. K. (1940) nach dem „Großen Herder", Sp. 526.
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