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besonderen, daß man vor einem demontierten Kurort stand, daß damit die Grundlage
für die Arbeit weiter Kreise der Einwohnerschaft fehlte. Selbst der Geldwert
war vorerst nicht gefestigt und schwankte von einem Tag zum andern.
Sollte ein planmäßiger Aufbau begonnen und fortgeführt werden, mußte zunächst
das Bangen und Sorgen der Bürger um Heim und Wohnung gemildert,
schließlich grundsätzlich beseitigt werden. Wer zu jeder Stunde gewärtig sein
mußte, aus seiner Unterkunft vertrieben zu werden, hatte nicht den Mut und die
Tatkraft, eine länger dauernde Arbeit anzufangen; er lebte von Tag zu Tag, von
Intermezzo zu Intermezzo. Da die örtliche französische Militärverwaltung nur
geringe Einsicht aufbrachte, ließ es Baden-Badens Oberbürgermeister auf Biegen
oder Brechen ankommen. Er reiste nach Paris, um beim französischen Außenminister
, es war Robert Schumann, zu protestieren. Als er ohne Anmeldung am Quai
d'Orsay vorsprechen wollte, eilte in den Gängen des Hauses ein französischer
Offizier, der kurz zuvor bei ihm in Baden-Baden einquartiert gewesen war, ebenso
überrascht wie neugierig auf ihn zu. Durch dessen Vermittlung empfing Robert
Schumann den kurstädtischen Bittsteller. Er hörte den beredten Anwalt der Baden-
Badener bereitwillig an, stellte einige klärende Fragen und versicherte, er werde
sich um eine zufriedenstellende Regelung bemühen. Robert Schumann hielt Wort.
Nach und nach wurde die Angst vor dem Wohnungsverlust von der Baden-Badener
Bevölkerung genommen, sie begann, getroster in die Zukunft zu blicken. Die
Stadt dankte Robert Schumann für seine Vermittlung, indem sie den Platz vor
dem Hause des Deutsch-Französischen Clubs zum „Robert-Schumann-Platz"
machte.
Und dann begann eine großgeplante Erneuerung der Kurstadt. Durch den „Zubringer
", der am Robert-Schumann-Platz endet, gewann sie unmittelbaren Anschluß
an die Autobahn Frankfurt—Basel. Die bis dahin ungebührlich belasteten Ausfahrten
aus dem engen Tal, Rheinstraße und Schwarzwaldstraße, wurden dadurch
vom Hauptverkehr wesentlich befreit. Beglückt atmeten die Anwohner auf. Die
altmodische Schienen-Straßenbahn, die bedenklich durch die Straßen rumpelte und
immer empfindlicher zu einem Verkehrshindernis geworden war, ersetzte man
durch Obus-Linien. Die an den unmöglichsten Stellen parkenden Kraftwagen
bildeten allmählich Straßensperren. Um sie aus dem fließenden Verkehr herauszunehmen
, stellte man am Bahnhof und am Augustaplatz Park-Hochhäuser zur
Verfügung. Großzügig gemindert wurde die Parknot durch die Tiefgarage unter
der Kurhauswiese, welcher Gegenstücke unter dem „Neuen Augustabad" und im
Posthof folgten.
Das Kurwesen ist zu Baden-Baden im großen und ganzen von der Leitung der
Stadtgemeinde getrennt, es obliegt einer staatlich-städtischen Behörde, der Kurverwaltung
. Die Verbindung zwischen Kurverwaltung und Rathaus vermittelt
Dr. Schlapper, der beiden Gremien in leitender Stellung angehört. Nun war 1946
mit den beiden Badehäusern aus dem 19. Jahrhundert, dem Friedrichs- und dem
Augustabad, kein Staat mehr zu machen. Da die beiden Gebäude getrennt als
Frauen- und Männerbad dienten, standen nahezu für jede Art von Bädern und
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