http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1969/0345
Sprachgebräuche in Mittelbaden. Man zieht den Endlaut eines Wortes hinüber zum Anlaut
des nächsten, spricht amabend, derandere, imOrtgau usw. Da die Regel für Schreibkundige
lautete: „Schreibe so, wie du sprichst oder sprechen hörst", machte einer aus imortgau ein
Mortgau. Andere übernahmen diese Form, die uns heute Kopfzerbrechen macht, bedenkenlos
. Anderen Bezeichnungen erging es ähnlich: aus der offenen, bzw. oberen Au = Op-
penau war zeitweilig ein Noppenowa; das Aarbruch ein Marbruch; das Erlensood ein
Mörlinsood; Ottenhofen ein Hottenhauen, Hottenhoven, Hüttenhofen; Jerusalem ein
Hierußalem; und in einer Akte des Klosters Schwarzach von 1212 ist der Graf Eberhard
de Eberstein in der vorangehenden Zeile der Heberhardus de Heberstein. Man bezeichnet
solche eingeschmuggelten als unorganische Laute, die wieder weggefallen sind. Ich halte
es für berechtigt, bei dieser Gelegenheit auch den Ortsnamen Haueneberstein unter die
Lupe zu nehmen.
Mit der Berichtigung der Schreibweise Heberstein in Eberstein tritt auch eine dritte
Möglichkeit der Auslegung des Ortsnamens Haueneberstein auf. Die frühesten Schreibweisen
lauteten Häven- bzw. Haweneberstein, die man auf Hafen am Kinzig-Murg-Fluß
bzw. auf Töpferei zurückführt; f für v zu setzen, geht an, nicht aber für w. Für beide
aber, av und aw, kann au gesetzt werden. Liegt es da nicht nahe, auch in Haueneberstein
den H-Anlaut als unorganischen, und statt des unmöglichen Hafen — ein Aueneberstein
anzunehmen für das Dorf in der Au, d. h. am Bergfuß, im Gegensatz zu dem droben bei
der Burg? Ich bin mir bewußt, daß meine Auslegung angegriffen werden wird. Aber hat
nicht jede der beiden bisherigen Auslegungen auch Gegner? Man bedenke, daß selbst dem
mächtigen Rhein entlang keine Ortsnamen vorkommen, die sich auf Hafenanlagen beziehen
. Auorte dagegen sind stark vertreten am Rhein, im Murgtal, Ottenau, Gaggen-,
Hilperts-, Geggen-, Lichten-, Tiefenau usw. Die Annahme, daß die Wörter Häven und
Hawen für Au standen und nicht für Hafen, ist also begründc-t.
Wie ist nun die Grenzlinie über das Gebirge verlaufen?
Um uns das zu vergegenwärtigen, müssen wir uns des Zweckes bewußt bleiben,
den sie erfüllen sollte. Wenn sie über die Höhen nördlich des Oostales oder dem
Oosbach entlang gezogen worden wäre, wie oft angenommen wird, wäre ihre
Aufgabe erschwert, wenn nicht unmöglich gewesen, den Ort mit den heißen
Quellen zu schützen. Es sind also bei der Festlegung der Grenzlinie strategische,
militärische Gesichtspunkte maßgebend gewesen. Vielfach werden die Bezeichnungen
Markbach, Lanzenkopf, Plättig, Feld- und Streitmannsköpfe und Frankenbach
, der bei Forbach in die Murg mündet, mit der Grenze in Verbindung
gebracht. Diese Annahme wird erhärtet durch die Forschungsergebnisse des aus
Malsch stammenden Dr. Friedrich Schlager, nach denen diese Linie in etwa auch
die fränkisch-alemannische Sprachgrenze darstellt. Im Murgtal stößt sie zwar bis
nach Schönmünzach vor, aber dieser Teil des Tales wurde wegen seiner Enge,
Wildheit und Wassergefahr erst später, aber von den Franken des vorderen Murg-
tales erschlossen und besiedelt. Die Grenze wurde so gewählt, daß sie schwer anzugreifen
, aber gut zu verteidigen war. Dazu eigneten sich beim Übergang von
der Rheinebene auf die Bergwelt die Höhen am Markbach und Hohbächlein.
Letzteres hieß früher Lehegraben = Graben an der Lehe, d. h. an dem Grenzhügel
. Am Fremersberg entlang — der Name ist nicht von Frömmersberg abzuleiten
, weil dort ein Kloster stand, sondern von Pfrimmen/Ginster, dem wildwachsenden
Bergstrauch — zog sie um das Nellenberg-Selighofgebiet, das, als Ein-
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