http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1972/0124
gegeben werden, andere fielen dem technischen Fortschritt zum Opfer. Mit dem
Wegfall der sachlichen Grundlage ging vielfach die Bezeichnung für Geräte und
Fangvorrichtungen verloren. Und wo heute noch Fischer leben, die alte Ausdrücke
bewahrt haben, darf deren Worterklärung nicht mit Sicherheit auf frühere Zeiten
übertragen werden. Denn gerade im Sonderwortschatz ist öfters eine zeitlich und
geographisch variierende sachliche Grundlage anzunehmen. So versteht etwa der
Hochrheinfischer unter Waidling den ortsüblichen Fischerkahn, während dasselbe
Wort bei den Fischern des Hanauerlandes ein Transportschiff für Kies und Steine
bezeichnet, das beim Rheinbau Verwendung fand2.
Die aufgefundene Wort- und Sacherklärung bietet nun genaue Angaben zu einigen
Artikeln der Freistetter Fischerordnung von 1671 (entworfen 1669), die auch für
Diersheim, Helmlingen, Graueisbaum und die linksrheinischen Dörfer Offendorf,
Drusenheim und Rohrweiler galt.
Die Worterklärung ist undatiert. Sie wurde jedoch, wie ein Schriftvergleich zeigt,
von einer Hand niedergeschrieben, die auch in den Zunftprotokollen zwischen
1720 und 1750 erscheint. Der Bezug der Worterklärung auf die Freistetter
Fischereiordnung vom 3. Juni 1671 ergibt sich aus der inhaltlichen und zahlenmäßigen
Übereinstimmung beider Texte (jeweils 48 Artikel).
Obwohl kein Anlaß zur Niederschrift der Worterklärung mitgeteilt wird, ist ein
solcher leicht zu finden: 1736 erlosch das Hanauische Haus, und das Hanauerland
fiel durch Erbvertrag an den Landgrafen Ludwig VII. von Hessen-Darmstadt.
Durch diesen Herrschaftswechsel mußten die alten Rechte der Fischer neu bestätigt
werden. Diese Bestätigung erfolgte am 19. März 1745 durch Landgraf Ludwig
VIII. Bestätigt wurde die 1671 ausgestellte Freistetter Ordnung, vermehrt
um drei Artikel, welche die Fischerzunft im Jahre 1737 von sich aus dazugesetzt
hatte. Der vollzogene Rechtsakt setzte eine Wort- und Sacherklärung notwendig
voraus. Denn wie sollte die landgräfliche Kanzlei von Hessen-Darmstadt eine
Urkunde bestätigen, deren Inhalt ihr auf Grund der Mundartgebundenheit des
Fischereiwortschatzes und der sachlichen Bindung an lokale Verhältnisse stellenweise
verschlossen bleiben mußte?
So verlangt die Kanzlei von den Freistettern eine Erklärung. Die Ausführung
dieser Erklärung übernahm sinnvollerweise der mit der örtlichen Fischerei vertraute
Zunftschreiber. Am Schluß seiner Worterklärung, die vorwiegend niederalemannische
Mundartwörter umfaßt, erwähnt der Schreiber den von der Fischerzunft
Freistett 1737 zusätzlich beschlossenen Artikel über den Karpfen- und
Salmenfang; der Schreiber betont, daß dieser Artikel „biß dato" strikt eingehalten
worden sei und bittet „deßwegen eine herrschaftliche Regierung um die Confir-
mation". Das bedeutet für die Datierung des Textes, daß der Schreiber die Worterklärung
nach 1737 und vor der 1745 erfolgten Bestätigung der neuen Ordnung
verfaßt hat.
2 Vgl. dazu Mitzka, Fischervolkskunde, S. 93 f., und allg. Dieter Möhn, Fach- und Gemeinsprache. Zur
Emanzipation und Isolation der Sprache, in: Wortgeographie und Gesellschaft. Festschrift für L. E.
Schmitt zum 60. Geburtstag, hrsg. von Walther Mitzka. Berlin 1968, S. 315—348.
122
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1972/0124