http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1972/0141
Friedrich Saenger, ein liberaler Bauernführer
im badischen Hanauerland
Von Hans Gerhard Binder
Wer durchs Fischereck, im schmucken Hanauerdorf Diersheim schreitet, sieht schon
von weitem ein Fachwerkhaus, unter dessen Giebelwalmdach sich ein weitausladendes
Vordach über zwei Fenstererker spannt. Darunter wurde 1967 zur Straße
hin von Bildhauer Kuno Link, Achern, eine Sandsteinplatte mit folgender Inschrift
angebracht:
„1867 wurde hier geboren Bürgermeister Friedrich Saenger,
Abgeordneter und Ökonomierat, verstarb als Verbandspräsident im Jahr 1921."
Früher sah das Haus wie alle anderthalbstöckigen Fachwerkhäuser im Hanauerland
aus. Das Untergeschoß stammt aus dem Jahr 1884, nachdem vermutlich durch
Brandstiftung Wohnhaus, Stallungen und Scheune in Flammen aufgegangen waren,
als die Eigentümerfamilie in Memprechtshofen weilte. Das Obergeschoß wurde
erst 1907 nach Plänen des Architekten Prof. Stürzenacker aus Karlsruhe aufgestockt
, der den dortigen Hauptbahnhof baute.
Am 3. April 1867 wurde hier Friedrich Saenger geboren. Sein Vater war der ortsansässige
Landwirt „Schulze-Järri", was „Bürgermeisters Jörg" bedeutet und was
darauf schließen läßt, daß auch Saengers Vorfahren schon Dorfschulzen waren.
Die Mutter stammte aus Memprechtshofen und soll eine recht eigenwillige, herrische
Person gewesen sein. Friedrich hatte noch eine jüngere Schwester, die vor dem
zweiten Weltkrieg als verheiratete Bäuerin in Diersheim starb.
„Schulze-Järris Fritz" ging zunächst in die Volksschule seiner Heimatgemeinde, wo
er durch Intelligenz und kräftigen Wuchs auffiel. Das Gebäude war 1863 neben
der aus dem Jahr 1731 stammenden Pfarrkirche errichtet worden und erfüllte
seine Zweckbestimmung bis 1964. Die Lateinschule Rheinbischofsheim, aus der sich
später die Realschule, dann das Progymnasium entwickelten, besuchte Friedrich
Saenger zu Fuß, da Radfahren in seiner Jugend unbekannt war und die Rheindörfer
erst nach der Jahrhundertwende durch eine Kleinbahn verbunden wurden.
Als Siebzehnjähriger überragte der „Diersheimer Lateinschüler" mit 1,86 Meter
Körperlänge die meisten seiner damals im Durchschnitt wesentlich kleineren Dorfgenossen
. Von 1885—1888 diente er im Leibgrenadier-Regiment 109 in Karlsruhe.
Diese Elitetruppe rekrutierte sich aus den „Langen Kerls" des badischen Großherzogs
, die aus allen Landesteilen stammten. Nach weiteren militärischen Übungen
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