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Basel, Wien, Frankfurt, Leipzig, Berlin, Augsburg, Kempten, Göttingen, Hamburg, Düsseldorf
, Mainz und anderen Orten angeboten, was den Umfang der Geschäftsbeziehungen
unseres Verlegers und seinen Rang innerhalb des damaligen Verlagsbuchhandels kennzeichnet
. Unter der Presse hat er 1785 auch einen „Entwurf zum Unterricht in den notwendigsten
Wahrheiten der geoffenbarten Religion etc." von Heinrich Johann von Hahn.
Errichtung einer zweiten Druckerei in Durlach
Die Heirat mit Maria Magdalena Rehfuß ermöglichte Müller einen weiteren Ausbau,
denn auch das Vermögen seiner Frau dient 1784 als Sicherheit für einen größeren Vorschuß
von 3000 Gulden, der vom Rechnungsrat Jägerschmidt mit der Feststellung befürwortet
worden war, daß Müller bisher alles geleistet habe, was in so kurzer Zeit von
ihm erwartet werden konnte. Mit der Übernahme des Gymnasium-Verlags im Jahre 1783
hatte sich die Notwendigkeit einer Betriebserweiterung ergeben; innerhalb von zwei Jahren
verdoppelte sich die Zahl seiner Pressen in Kehl von drei auf sechs. Natürlich konnte
sich Müller in der Stärke der Belegschaft nicht mit dem Großunternehmen der „Societe"
messen, die Ende 1784 immerhin 78 Setzer, 14 Gießer, 50 Frauen und Kinder in der
Papeterie, 10 Domestiken und 5 Bureau-Arbeiter, zumeist Franzosen aus Bouillon, Lyon,
Besancon, Paris, Grenoble umfaßte, während bei Müller am 1. September 1785 in Kehl
1 Factor, 1 Korrektor, 6 Drucker, 6 Setzer, 1 Buchbinder, 1 Handlanger, 1 Lehrjunge
und 1 Hausbursche, also insgesamt 18 Personen beschäftigt waren, wobei drei Wochen zuvor
die Zahl der Drucker und Buchbinder noch größer war. In jener Zeit der recht
bescheidenen Ansätze zur Industrialisierung haben wir es bereits mit einem beachtlichen
Betrieb zu tun, dessen Bedeutung am besten aus einem Vergleich mit den benachbarten
Straßburger Druckereien ersichtlich wird. Dort wurden die Druckereien aus Zensurgründen
regelmäßig kontrolliert, so daß uns eine genaue Statistik überliefert ist. Von den bekannten
Druckereien arbeitete Le Roux im Jahre 1783 mit 2 Pressen und 3 Gehilfen,
Levrault mit 4 Pressen und 6 Gehilfen, Heitz mit ebensovielen, Dannbach (früher Steinmann
) mit 5 Pressen und 8 Gehilfen51. 1789 bestanden in Straßburg 6 Druckereien mit
20 Pressen, wobei lediglich Dannbach 5 Pressen hatte52. Ubertraf Beaumarchais sämtliche
Straßburger Druckereien, so ragte Müller mit 6 Pressen, 6 Setzern und mindestens 6
Druckern und weiteren Hilfskräften über den größten Straßburger Betrieb hinaus.
Nachdem sich das finanzielle Schwergewicht der Unternehmung nach Karlsruhe53 verlagerte
, zog er technisch mit der Errichtung einer zweiten Druckerei in Durlach nach.
Es ist bemerkenswert, wie tatkräftig er den Erfordernissen seines Schulbuch-Verlages gerecht
wurde, und ebenso erstaunlich, wie er vor keinem Wagnis zurückschreckt, da seine
eigene finanzielle Grundlage doch recht schmal ist. Sein gesamtes Vermögen ist zwar verpfändet
, doch bittet er 1785 erneut um einen Kredit von 5000 Gulden aus dem Gymnasium
-Fonds, den man in Karlsruhe kaum abschlagen kann, wenn man nicht nach kurzer
Zeit den Pächter wechseln wollte. Dabei mußte man von der Überlegung ausgehen, daß
man auch einem neuen Pächter entsprechende Vorschüsse gewähren mußte. In Karlsruhe
machte man sich die Entscheidung nicht leicht. Viele Gutachten wurden verfaßt, wobei
Müller sich bemüht, ausführliche Unterlagen zu liefern. Vor allem verspricht er, sich
künftig auf den Gymnasium-Verlag zu konzentrieren, insbesondere auf den Bibel-Druck,
daneben auf Posselts Magazin und seine Zeitung. Er findet am Hofe Unterstützung. So
schreibt etwa Kirchenrat Carl Joseph Bougine in seinem Premoria, daß am vorteilhaftesten
die Unterstützung eines Mannes sei, „der mit so vieler Betriebsamkeit sein Werk geführt
und ins künftige führen wird". Auch in Jägerschmidt findet er wieder einen warm-
51 Molz, S. 10.
52 Im einzelnen: Hermann Ludwig, Straßburg vor 100 Jahren, 1888, S. 247 Anm. 135.
53 Über die wirtschaftliche Entwicklung von Karlsruhe zu jener Zeit unterrichtet Hans Bauer im Abschnitt
„Fabriken wachsen in Residenzen und Landstädten" in: Karlsruhe, Wirtschaftszentrum am Oberrhein,
Karlsruhe o. J. (1953), hrsg. von der Industrie- und Handelskammer Karlsruhe.
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