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nissen zusammenhängen, welche die Typographisch-literarische Gesellschaft und Beaumarchais
selbst betreffen. Er geht auf die Buchproduktion der Gesellschaft ein, und er druckte die
vom Verfasser genehmigte Übersetzung von „Figaros Hochzeit", nachdem die „Societe"
am 8. 2. 1785 im „Hinkenden Both" einen längeren Hinweis gebracht hatte, daß die
einzig autorisierte Ausgabe der „Mariage de Figaro" mit einem Vorwort von Beaumarchais
bei ihr erscheinen werde. Seine Zeitung berichtet ferner über die Besuche von
Beaumarchais in Kehl und in Karlsruhe (1786), wo er vom Markgrafen empfangen wird.
Auch die Besichtigungen des Unternehmens durch den Prinzen Heinrich von Preußen im
Jahre 1784 oder am 20. Januar 1785 durch den Herzog von Württemberg und zwei Monate
später durch Erzherzog Ferdinand waren sicherlich willkommene Anlässe für eine
Berichterstattung. In sein Sortiment nimmt er auch die „Memoires" von Beaumarchais
auf, die 1779 in Amsterdam erschienen waren. Die Akten bringen eine überraschende
Aufklärung: Le Tellier, der Direktor der „Societe" in Kehl, war auch Gesellschafter des
Müllerschen Unternehmens! Dieser geheime Gesellschaftsvertrag ist der Schlüssel zum Verständnis
für die finanziellen Schwierigkeiten, und es berührt sehr angenehm, daß der
Beamte Carl Victor Jägerschmidt, Rechnungsrat bei der Rechnungskammer, in seinem
Bericht vom 9. Juni 1785 diese mißliche Lage richtig einschätzt:
„Da ich, ohne Kenntnis in der Typographie zu haben, wohl einsehen konnte, daß solche
Unternehmungen, beträchtliche, seine Kräfte übersteigende Vorschüsse erfordern, bezeugt
ich ihm manchmalen meine Verwunderung, daß er sich mit dem aus dem Gymnasium-
Fonds ihm vorgestreckten Kapital durchschlagen könne. Nun enträtselt sich auf einmal,
daß er von Mr. Le Tellier, vermöge eines mit demselben auf 12 Jahre errichteten Socie-
täts-Kontrakts, mit genau 9000 Gulden in seinen Unternehmungen unterstützt worden
ist, daß dieser noch zu weiteren Unterstützungen sich verpflichtet, aber seit seiner Entfernung
von Kehl, seine Verbindlichkeit nicht erfüllt, sondern den Associe seinem Schicksal
überlassen hat."
In seiner schriftlichen Rechtfertigung vom Sommer 1785 schildert Müller, wie es zu der
auch für uns so überraschenden Verbindung gekommen war. Nachdem er 1783 das Privilegium
für den Gymnasium-Verlag erhielt, stellte er fest, daß zu viel fehlte und zu viel
gedruckt werden sollte. Um den Anforderungen nachzukommen, kaufte er bei Le Tellier
eine Presse. Dieser witterte offenbar ein gutes Geschäft und bot sich Müller als Gesellschafter
an. Man kann sich vorstellen, daß dieser über ein solch vorteilhaftes Angebot
angesichts der Stellung des Direktors Le Tellier in Kehl und im Unternehmen von
Beaumarchais hoch erfreut war. Im Gesellschaftsvertrag vom 1. September 1783 erklärte
sich Le Tellier zu einer Einlage von 9000 Gulden bereit, die Müller nach seinen eigenen
Worten mit Müh und Not nach und nach auch erhalten hat. Allerdings steuerte Le Tellier
aus eigenen Mitteln offenbar nur 4000 Gulden bei, während er weitere 5000 Gulden der
Kasse der Societe litt.-typogr. entnahm. Kein Wunder, daß er diesen Gesellschaftsvertrag,
den er mit Müller privat in seinem Namen geschlossen hatte, geheimgehalten wissen
wollte. Und Müller konnte tatsächlich nicht vorausschauen, daß sich Le Tellier mit
Beaumarchais entzweien „und gar seine Direktion und allen Anteil, den ihm H. von
Beaumarchais gewährte, aufgeben würde". Und dieser Umstand brachte ihn wirklich an
den Rand des Ruins. Der Nachfolger Le Telliers, de la Hogue, unterstützte ihn anfangs,
da offenbar auch er hoffte, Le Tellier werde den Kontrakt einhalten, wagte aber wegen
der Hypothek, die auf Müllers Haus lastete, keine größere Summe. Jedenfalls wollte er
in den Vertrag nicht eintreten. Le Tellier trat seine Forderung an Müller an die „Societe"
ab. Aus seinem Schreiben vom 7. Juni 1785 an den Markgrafen geht der volle Umfang
seiner mißlichen Lage infolge der Entfernung von Le Tellier hervor: die verabredeten
Unternehmen, die fast alle angefangen sind, erfordern ein Kapital von 18 000 Gulden zu
ihrer Fertigstellung. Im übrigen kann sich Müller endlich von den Vorwürfen reinigen,
daß er zuviel unternehme, auf die er wegen der Geheimhaltung nie eingehen durfte. Am
17. Juni 1785 wird eine Kommission zur Uberprüfung des gesamten Sachverhalts einge-
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