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Objekt dafür zu sein. Müller dagegen benötigte größere und langfristige Investitionskredite
, die ihm Treuttel gewähren konnte. Dieser nimmt im Juni 1788 von Müller einen
Wechsel über 750 Livres mit einjähriger Laufzeit in Zahlung, den er von dem Straßburger
Postangestellten Petit angenommen hatte. Da Treuttel diesen Wechsel noch im Juli 1792
prolongierte, war er offenbar von Petit nicht eingelöst worden und Treuttel nahm infolgedessen
Müller in Anspruch. Inwieweit sich Treuttel bereits bei Müller abgesichert hatte,
ist nicht bekannt, aber aus einem Aktenstück73 geht hervor, daß zwischen Treuttel und
Müller sehr enge geschäftliche Bindungen bestanden. Erinnern wir uns daran, daß Müller
im guten Glauben an die Abmachungen mit seinem Gesellschafter Le Tellier (Letellier)
projektierte und investierte, schließlich aber nach dessen Hals über Kopf erfolgten Abreise
aus Kehl im Stiche gelassen wurde, so daß er dann wahrscheinlich gerne Druckaufträge
von Treuttel angenommen hat. Es wäre interessant zu wissen, welche Verlagsobjekte
Treuttels bei Müller in Kehl gedruckt wurden. Ein neuer Vertrag, der am 14. November
1788 in Kehl in Anwesenheit von Treuttel, J. G. Müller, dessen Ehefrau und ihrem Beistand
, dem evangelischen Schulmeister Rothweiler und dem Amtmann Strobel geschlossen
und mit dem gewöhnlichen größeren Amtssiegel versehen wurde, zeigt in jeder Zeile, daß
sich Müller dem Hofrat und Verlagsbuchhändler Treuttel mit Haut und Haar verschrieben
hatte, um ein Darlehen von dreitausend Gulden zu erhalten. Fürwahr kein großer
Betrag für Treuttel, doch mit Zinsbelastung und anderen RückZahlungsverpflichtungen
groß genug für Müller, um ihm schwerwiegende Belastungen aufzubürden. Hätte er vom
Markgrafen einen Teil jener 13 200 Gulden bekommen, die 1791 der „Societe" für die
Ausbesserung ihres Werkes zur Verfügung gestellt wurden, wäre er nicht in diese Abhängigkeit
von Treuttel geraten. Aber zweifellos stand ein Johann Gottlieb Müller bei
aller Unterstützung durch die Verwaltung dem Markgrafen selbst weit ferner als ein
Direktor de laHogue, der vom Markgrafen zum provisorischen Zensor für „ma correspond-
ance" bestellt und 1790 zum Badischen Geheimen Legationsrat ernannt wurde74. Was
auf dem fürstlichen Amt in Kehl an jenem Novembertag unterschrieben wurde, war
moralisch, rechtlich und finanziell so abgeschirmt und abgesichert, daß das Risiko für
Treuttel auf ein denkbares Mindestmaß beschränkt wurde. Einleitend versicherten die
Eheleute Müller, daß ihnen das Darlehen „zu ihrem wahren Nutzen und Notdurft" gewährt
worden sei, wofür sie sich verpflichteten, das gezahlte Kapital zu 5 % zu verzinsen
und „auf die Einrede des nicht gezahlten oder nicht empfangenen Geldes wissend und
wohlbedächtig" zu verzichten. Vereinbart wurde die Möglichkeit einer „einvierteljährlichen
Aufkündigung" für beide Teile. „Damit aber auch der Herr Darleiher dieses seines
Darlehens halber um so mehr gesichert sein möchte, so setzten die Debitoren neben der
Generalverpfändung ihres jetzigen und künftigen Vermögens, es möge bestehen worinnen
es immer wolle, zu einer anverlangten dritten Spezial-Hypothek anmit unterpfändlich ein,
ihr an der neuen Straße dahier stehendes zweistöckiges Eckhaus samt Zubehör, einerseits
neben dem Stadt Carlsruher Wirtshaus, dem Jacob Bohn zugehörig, anderseits neben der
Querstraß gelegen75, so in der Brand-Assecuration zu 4000 G. Rheinl. angeschlagen
stehet, und worauf die bekannten Kapitalien zur ersten und zweiten Hypothek haften
und dieser Verschreibung vorgehen müssen." Nach Aussage von Müller hatte er gegen-
73 Den Hinweis verdanke ich der Deutschen Bücherei — Deutsches Buch- und Schriftmuseum in Leipzig
(Dr. Funke vom 19. 6. 1970). Der Aktenvorgang ist in der Archivaliensammlung der ehemaligen Bibliothek
des Börsenvereins der deutschen Buchhändler enthalten (20 Stück).
74 Über de la Hogue das Urteil des Zeitgenossen Th. F. Ehrmann: „Man hat mich versichert, daß durch
allerlei Künste der Arbeiter, durch Nachlässigkeiten, besonders im Packen, durch die Unerfahrenheit des
Direktors de la Hocque, der von dem Buchhandel und der Buchdruckerei auch nicht das Mindeste
versteht, mehr zu Grund geht, als der Gewinn betragen kann."
75 Müller wohnte also in der Hauptstraße (vgl. dazu: Klaus Hornung, Die Kehler Hauptstraße in drei
Jahrhunderten, Kehler Zeitung vom 28. 12. 1966, wonach an der Carlstraße das Gasthaus „Zur Stadt
Carlsruhe" gebaut wurde); bei der Schilderung eines Erdbebens in der Nacht vom 29./30. November 1784
erwähnt er, daß er auf „das freie Feld" hinausgeschaut habe. Das Gasthaus „Zum schwarzen Adler"
(Rehfuß) befand sich an der Stelle der heutigen Bezirkssparkasse.
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