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inseriert, muß seine Buchhandlung schon bestanden haben, da es sich um keine Eröffnungsanzeige
handelt. Eine weitere Anzeige vom 6. Februar 1771 im gleichen Blatt ist in
zweifacher Hinsicht interessant: einmal zeugt sie von der Beziehung des jungen Buchhändlers
zu der bekannten Druckerei G. L Decker in Berlin, die das alleinige Verkaufsrecht
für die „Recherches Philosophiques sur les Americains" besitzt, und in ihrer Anzeige
den holländischen und französischen Buchhändlern bekanntgibt, daß es bei J. G. Bärstecher
nach Erscheinen des Werkes zu finden sei. Die günstige Nachbarschaft zu den Niederlanden
und Frankreich gehört also zu den offensichtlichen Standortvorteilen, wobei wir
selbstredend nicht sicher sind, ob dies für Bärstecher ausschlaggebend war. Als „Correspon-
dant de PAcademie des Sciences et des Arts d'Augsbourg, ä Cleves" bietet er die schönsten
Stiche und Portraits der „Kunstzeitung" an. Bei dieser Akademie handelt es sich um
die „Kaiserlich franciscische Akademie der freien Künste und Wissenschaften in Augsburg
", deren Gründer „die beiden Johann Daniel Herz, Vater und Sohn" waren103. Mit
der Herausgabe der „Kunstzeitung" (1770—1772) erreicht die Akademie einen literarischen
Höhepunkt104; nach dieser Zeit pflegte Bärstecher anscheinend auch keine Verbindung
mehr zu ihr.
Was er im „Courier" und auch in anderen Zeitungen anbietet, spiegelt vor allem die
geistigen Strömungen in Frankreich von den Frühaufklärern bis Voltaire und Rousseau
und den Materialisten. Doch der Bücherverkauf genügt ihm nicht, sein Ziel ist weitergesteckt
. Zunächst heiratet er am 29. September 1771 die in Cleve geborene Maria Henriette
Gesell schap105.
Sammlung gelehrter Nachrichten am Niederrhein
Zwei Monate später, am 3. Dezember, wendet sich „Baarstecher" von Kleve aus direkt an
König Friedrich II. in Berlin mit der Bitte, ihm zum Verlag und Druck einer gelehrten
Zeitung ein Privilegium exclusivum für das Herzogtum Kleve, für das Fürstentum
Moers und die Grafschaft Mark zu erteilen106. Wie er später in Kehl die Verbreitung
seines „Oberrheinischen Hinkenden Boten" auf den Kulturraum am Oberrhein gründet,
so bezieht er in Kleve die kulturellen Verflechtungen am Niederrhein in seine Überlegungen
ein107, zumal „Kleve sicherlich noch seinen Umsatz von niederländischen Büchern
als von den Niederländern frequentierter Bade- und Pensionsort gemacht hat" los.
von 1340 (Dr. Karl d'Ester, Aus der Geschichte des „Courier du Bas-Rhin", einer preuß. Finanzspekulation
am Niederrhein, in: Dortmundisches Magazin Nr. 13. vom 1. 1. 1910, S. 124, Dortmund).
103 Felis Freude, Die Kaiserlich Franciscische Akademie der freien Künste und Wissenschaften in Augsburg,
in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg, Augsburg, 34. Jg. 1908, S. 2. Nach
frdl. Mitt. des Stadtarchivs Augsburg (Dr. Baer) vom 16. 9. 1971 gab es neben dieser Akademie noch
die eigentliche Reichsstädtische Kunstakademie, 1712 begründet, besonders durch den evangelischen Teil
des Rates gefördert.
104 Freude, S. 125.
105 Oppenhoff, S. 118. Nadi frdl. Mitt. des Stadtarchivs Kleve (Dr. Gorisson) finden sich weder in den
lutherischen noch in den reformierten Taufregistern Kinder aus dieser Ehe, ebenso im Sterberegister
in den nächsten Jahren kein Hinweis auf den Tod von M. H. Gesellschap. Die Familie Gesellschap ist
lt. Bürgerbuch seit 1653 in Kleve ansässig und stammt aus Holten (Kreis Dinslaken). Verwandtschaftliche
Beziehungen bestehen zur Familie des Hofrates und Regierungsadvokaten Carl Theodor Wülfing
in Kleve, der mit Johanna Franziska Gesellschap verheiratet ist, und von dem zwei Kinder 1771 und 1774
getauft werden (Reform. Gemeinde, Cleve).
106 Acta wegen des von dem Buchhändler Baarstecher nachgesuchten Privilegii exclusivi zum Druck und
Verlag einer gelehrten Zeitung, im Bestand Herzogtum Kleve, Generaldirektorium Berlin, Be 859, aus
den Jahren 1771—1773, im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf.
107 Friedrich Metz: Wilhelm Heinrich Riehl und die Erforschung der deutschen Grenzlande, in: Land und
Leute, Gesammelte Beiträge zur deutschen Landes- und Volksforschung, Stuttgart 1961, S. 29: „Im Tiefland
reicht niederländisches Wesen in das Reichsgebiet hinein, mit den Höhen von Kleve und Nym-
wegen greift deutsche Landschaft nach Holland hinüber. Kleve hat aui dem Berg ein deutsches, im Tal
und an einem verlassenen Rheinarm ein niederländisches Gesicht." S. 30: „Niederländische Erinnerungen
begegnen uns in Kleve, in dem lange die Sprache in Kirche und Schule niederländisch blieb."
108 Mennenöh, S. 181.
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