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Deutschland, so wie man auch sagt, daß sie vergleichungsweise weit mehr denken sollen.
Es ist also einem Verfasser weit leichter, eine große Anzahl von Lesern in einem engen
Bezirk zu finden, und ihren Geschmack auszukundschaften. In Deutschland hingegen ist
nicht allein alles weit mehr zerstreut, Sitten, Regierungsform, Religion etc., ist nicht
allein in den meisten Provinzen verschieden, sondern die Gelehrten sind in Deutschland
überhaupt Wesen von ganz anderer Art als Ungelehrte, für die sie daher auch nicht
leicht schreiben können, weil sie selten das treffen, was denselben hauptsächlich interessant
ist." Der zeitgenössische Kritiker gibt auch Hinweise auf die wünschenswerte Gestaltung
deutscher Zeitschriften, die über die Landesangelegenheiten berichten sollten, wie dies in
England der Fall sei: „Es ist unglaublich, wie wenig wir wissen, was eigentlich um uns
vorgeht. Deutschland ist das Land, das in Deutschland am unbekanntesten ist." Man
kenne etwa die Verfassungen verschiedener Provinzen dem Worte aber nicht dem inneren
Geiste nach; man schreibe voneinander ab, was in Frankreich oder England geschehe,
„aber ähnliche und oft weit wichtigere Begebenheiten, die alle Tage vor unseren Augen
geschehen, wissen wenige, und schreibt niemand auf". Aus diesem Grunde solle in jedem
deutschen Land ein öffentliches Blatt, ein Magazin, ein encyclopädisches Journal oder
wie man es sonst nennen wolle, herauskommen, das die Menschen über die Landcs-
angelegenheiten unterrichte.
Aus welchen Gründen das E. J. einging, ist unbekannt. Pick149 kommt zu dem Schluß:
„Das Enzyklopädische Journal' litt aber bald unter dem Mangel an geeigneten Mitarbeitern
und am bunten Vielerlei seines Inhaltes." Bensei hielt auch Dohm nicht für den
richtigen Mann, das E. J. zu halten.
Theater-Zeitung
Daß Bärstecher am 30. November 1774 die erste Nummer einer Theater-Zeitung erscheinen
ließ, lag sicherlich nicht nur an seiner geistigen Aufgeschlossenheit, am Einfluß der
Zeitströmung, sondern auch im Wesen der Aufklärung, die belehrend und bildend in alle
Bereiche vorstieß, wobei dem Theater in jener Zeit eine besondere Rolle zufiel. Pick
schreibt über die Theater-Zeitung150:
„Die Zeitung brachte namentlich Theater-Neuigkeiten aus Paris und Münster und allgemein
gehaltene Abhandlungen über die Schauspielerkunst. Eingehender gab sie Nachricht
über die Seylersche Truppe in Weimar, Gotha und Leipzig und über die Josephische und
Dobler-Gesellschaft in Münster. Sonst bildeten Rezensionen über Theaterstücke und Besprechungen
von Büchern und über das Theaterwesen den Inhalt."
Die „Theater-Zeitung" (Th. Z.) wurde anfangs unseres Jahrhunderts recht unterschiedlich
gewürdigt. Sehr kritisch befaßt sich Hill mit ihr: „Bei dem Plan vergaloppierte sich der
Autor so gut wie andere vor ihm: er will gleichzeitig Direktoren, Schauspieler und Dilettanten
bedienen, jeden in seiner Art. Er vergißt dabei aber ganz, daß für einen so allgemeinen
Stoff das halbwöchentliche Erscheinen eine ganz unnötige Fessel ist sowohl bei der
Durchführung wie auch beim Vertrieb der Blätter nach auswärts . .. Dabei ist die Heimat
des Blattes ganz unergiebig, während das Ausland desto stärker zur Deckung des
Inhaltes herangezogen wird. Das Aufhören des recht dilettantischen Werkes ist wohl vornehmlich
auf Stoffmangel zurückzuführen." Es bleibe unerörtert, auf welche älteren
Rezensionen sich Hill151 stützte, wobei es dienlich sein könnte, sich einmal mit dem Kapitel
»4» Pick, S. 14.
15« Pick, S. 14.
IM Wilhelm Hill, S. 44 ff. Die letzte Nummer erschien nach einer Mitteilung in den „Bagatellen, Literatur
und Theater" am 19. Mai 1775. Angaben über die Stückzahl sind unterschiedlich: Bensei, S. 139, hält sich
mit 39 Stück an die „Bagatellen" (1777, S. 1); Kirchner I Nr. 4163 nennt 42 Stück und stützt sich dabei
wohl auf Angaben von C. H. Schmid, Almanach der deutschen Musen, Leipzig 1777, S. 22, und Reichard,
Theaterkalender (1776 ff.), während Hill nur 36 Stück vorgelegen haben (3. 1.—22.8. 1777).
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