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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1972/0251
Jahrzehnte, eine bedeutsame Rolle im Rahmen der kulturgeschichtlichen Entwicklung zuweisen
. In die letzten Jahre seiner Tätigkeit als Verlagsbuchhändler fällt die Uberlagerung
des Zeitalters der Aufklärung durch die Französische Revolution, die „als die
Verwirklichung der Aufklärungsphilosophie" galt214, aber in ihrem Ablauf auf wachsende
Abneigung bei den Gebildeten in Deutschland stieß, „wo die Aufklärer sich heftigen Angriffen
ausgesetzt sahen von Leuten, die sie der Sympathie mit allen aufrührerischen
Kräften ziehen und sich auf das Beispiel Frankreich beriefen, um die Gefährlichkeit
aller aufgeklärten' Ideen anzuprangern" 215. Es galt bisher als ausgemacht, daß die Aufklärung
in Deutschland ausschließlich eine geistige, philosophische, pädagogische Bewegung
gewesen sei, bei der die Tendenz zur individuellen Bildung überwog; sie habe
keine gesellschaftliche Umwälzung gefordert, und der Durchbruch zur politischen Tat
habe ihr vollkommen ferngelegen. Müller gehört zu dem bisher wenig erforschten Kreis,
der die „revolutionäre Wasserscheide von 1789" 218 überschritt, um die politischen Folgerungen
aus jener das 18. Jahrhundert beherrschenden Lebensauffassung zu ziehen, an
der „sich das deutsche Bürgertum zur geistigen Selbständigkeit heraufgearbeitet" hatte217.
Sieben Jahre hatte er sich bei der Herausgabe seiner beiden Zeitungen in Kehl streng an
die Vorschriften der Zensur gehalten, um dann eine ungerechtfertigte und beschämende
Bestrafung erleben zu müssen, die für ihn noch mit einer erheblichen finanziellen Einbuße
verbunden war, da ihm die beschlagnahmten Bücher nicht zurückgegeben wurden. Die
Haltung seiner Blätter war beim Ausbruch der Revolution besonders loyal, und die
schweren Unruhen im Hanauer Land, in der Landvogtei Ortenau oder auf dem rechtsrheinischen
Gebiet des Bischofs von Straßburg, wo Mitte September 1789 das Oppenauer
Rathaus von 800 aufständischen Bauern besetzt wurde218, wurden kaum oder überhaupt
nicht erwähnt. In seinem Schreiben vom 17. Juni 1790 an den Markgrafen drückt
er in einem Nebensatz das aus, was er sich unter den gegebenen Umständen an Kritik
über die Zensur erlauben darf: „Indem war mein Hauptdebit nach Frankreich und in
die Schweiz, wo man freie Schreibart liebt . . ." Unter Bezugnahme auf das markgräfliche
Decret, daß er ohne vorherige Erlaubnis nichts kaufen oder verkaufen dürfe, was von der
französischen Revolution handle, läßt er den Markgrafen in den Spiegel seiner Zensur-
habung schauen: „Und da ich im vorigen Jahr empfindlich genug bestraft worden bin,
um nicht jetzt in täglicher Furcht zu stehen, es könnte mir noch schlimmer gehen, wenn
ich länger eine Druckerei beibehalten wollte . . ." Müller hatte von den drei Kehler
Druckereien der Zensur wohl die wenigsten Schwierigkeiten gemacht, trotzdem hatte der
aus Frankreich zugewanderte Franzose Geh. Legationsrat von Rochebrune ihre Verschärfung
gefordert, und man kann sich die bittere Reaktion Müllers vorstellen, der als
markgräflicher Untertan in der engen Berührung mit Straßburg den mündig gewordenen
Bürger kennenlernte.

Es handelte sich gewiß nicht um Ausnahmebestimmungen des liberal gesinnten Markgrafen
, denn das Zensurwesen war mit dem Ausbruch der Großen Französischen
Revolution überall in ein neues Stadium getreten: „Das rote Gespenst des Jakobinismus
ging bei den besonnensten Regierungen um, die Angst, daß durch die Presse das
fremde Gift eingeimpft werden könne, war bald beispielslos"219, aber sie trafen ihn
angesichts seiner labilen finanziellen Lage besonders hart. Er konnte sich auch nicht nach
Karlsruhe zur ausschließlichen Leitung des Gymnasium-Verlages zurückziehen, hatte ihn
doch bereits Macklot wegen seiner geringen Rentabilität aufgegeben. Müller hatte sich
schon in seinem Schreiben vom 20. Oktober 1782 an den Rektor des Gymnasiums,
Kirchenrat Johann Christian Sachs, beklagt, daß das Geschäft sich nach genauer Einsicht-

214 Rolf Hellmut Foerster (Hrsg.), Emmanuel Sieyes, Frankfurt am Main 1968, S. 19.

215 Roland Mortier, Diderot in Deutschland, 1967, S. 341.

216 Das Fischer Lexikon, Geschichte, S. 203.

217 Johann Gottfried von Pähl, Denkwürdigkeiten aus meinem Leben und aus meiner Zeit, Tübingen 184C,
S. 202.

218 Manfred Krebs, Politische und kirchliche Geschichte der Ortenau, in: Die Ortenau 40 (1960), S. 230.

219 Carl d'Ester, S. 27.

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