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Grimmelshausen und der Oberrhein
Vortrag auf der Jahresversammlung 1972 in Renchen
Von Wolfram Mauser
Sie haben hierher, nach Renchen, eingeladen, um Grimmelshausens zu gedenken.
Man trifft sich damit nicht an einem beliebigen Ort, sondern in einer Gegend,
in der Grimmelshausen die längste Zeit seines Lebens, nahezu 40 Jahre, verbrachte
. Was liegt daher näher, als über den Dichter selbst und über das Verhältnis
von Leben, Werk und Landschaft zu sprechen. Dies ist kaum möglich,
ohne einen Blick auf die Geschichte der germanistischen Forschung zu werfen,
die auf Strecken stärker vom Wunschdenken beherrscht war als von gründlicher
philologischer und historischer Arbeit. Die Forschungsgeschichte Grimmelshausens
ist — sagen wir es ehrlich — insgesamt kein Ruhmesblatt der Germanistik1
. Bei der Deutung von wenigen Dichtern oder Werken spielte und spielt
die jeweils herrschende Ideologie eine größere Rolle als bei Grimmelshausen. Gerade
deshalb will ich mich an Daten und Fakten halten. Welcher Teil seiner
Biographie ist gesichert? Was wissen wir über sein Leben, das er zum größten
Teil hier, am Oberrhein, in der Ortenau, verbrachte? Inwiefern hatte diese Landschaft
, hatten die Menschen, denen er hier begegnete, Einfluß auf sein Werk?
Oder anders: Welche Erfahrungen, die Grimmelshausen hier machte, fanden im
Werk ihren Niederschlag?
Leben am Oberrhein
Zunächts: Grimmelshausen ist nicht gebürtig vom Oberrhein; er stammt vielmehr
aus Gelnhausen, also aus der Wetterau (Hessen), wo er um 1622 zur Welt kam.
Ein Hinweis im „Ewigwährenden Kalender", in der sog. Anekdote vom „Platteislein
" (= Seefisch, eine Art Scholle), ist ein ziemlich sicherer Beleg dafür2.
1 Einigen Wissenschaftlern indessen verdanken wir wichtige Erkenntnisse, die für die folgende Darstellung
dankbar benutzt wurden, so vor allem die Forschungen von Batzer, Bechtold, Duncker, Heining, Könnecke
, Koschlig, Overmann, Ruppert, Schäfer, Schölte, Streller, Weydt u. a. — Zitiert wird nach der
Ausgabe: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen: Gesammelte Werke. Unter Mitarbeit von Wolfgang
Bender und Franz Günter Sieveke hrsg. von Rolf Tarot. Tübingen 1967 ff. — Bd. t: Der
Abentheurliche Simplicissimus Teutsch und Continuatio des abentheuerlichen Simplicissimi. Hrsg. von
Rolf Tarot. — Bd. 7: Satyrischer Pilgram. Hrsg. von Wolfgang Bender.
Heide-Lore Schaefer danke ich für Hilfe bei der Vorbereitung des Vortrags.
- Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen: Des Abenteuerlichen Simplicissimi Ewig-währender Calen-
der. Faksimile-Druck der Erstausgabe Nürnberg 1671, mit einem erklärenden Beiheft hrsg. von Klaus
Haberkamm. Konstanz 1967, S. 142.
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