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sieht, daß „die sämtlichen Pfründner bey ihrer bisherigen Kost die beste Gesundheit
genießen, dabey uralte Leute werden und sogar wie gemästet aussehen".
Vielleicht hat diese Bemerkung des Pfarr-Rektors die Kirchen-Kommission zu
den neuen Speisevorschriften veranlaßt. Die Mahlzeiten sowohl der Ober- als
auch der Unterpfründner, besonders die teuren Fastenspeisen und Weinschoppen,
wurden eingeschränkt. Auf die „mürben" Neujahrs- und Fasnachtsbrezeln mußten
die Pfründner in Zukunft verzichten. Das Oberpflegamt wurde aufgefordert,
den Hausmeister auf die erlassenen Vorschriften hinzuweisen.
Was aber die Kirchenkommission noch mehr beanstandete, war die Tatsache,
daß das Hospital nur Pfründner aufnahm. Am 6. April 1807 erklärte sie, daß
der Stiftungsbrief dahin auszulegen sei, daß das Hospital nicht nur zur Unterstützung
, sondern zur wirklichen Aufnahme von Bedürftigen und Siechen bestimmt
sei. Begüterte Personen sollten nur ausnahmsweise aufgenommen werden.
Infolgedessen fanden Auswärtige nicht mehr und Einheimische nur in beschränkter
Zahl Aufnahme. Gesuche wurden mit dem Bemerken abgelehnt, daß das Spital
„zur Aushilfe für hiesige Arme sehr ins Mitleiden gezogen" werde. In Offenburg
seien mehrere Arme alt und bresthaft. Jede Aufnahme gegen Geld sei durch
höhere Verfügung untersagt. Die Folge war, daß die Zahl der Pfründner allmählich
zurückging. 1812 waren es noch 15 Ober- und 4 Unterpfründner.
In diesem Jahr schaltete sich auch das Innenministerium ein und forderte, daß
das Hospital seinem eigentlichen Zweck, der Pflege armer Kranker, zugeführt
werde. Die bisherige Verpfründungsanstalt gesunder Menschen müsse man nach
und nach eingehen lassen. Die Pfründner sollten aufgefordert werden, das Hospital
zu verlassen und eine angemessene Entschädigung entgegenzunehmen. Das
Hospital müsse zu einer „Krankenversorgungsanstalt für die ganze hiesige Landesgegend
erhoben werden". Das Oberpflegamt vertrat den Standpunkt, daß das
Gebäude wegen seiner Lage und engen Räume diese Aufgabe nicht erfüllen könne.
Das Hospital müsse eine „Lokalanstalt für die Stadt" bleiben. Das Direktorium
des Kinzigkreises machte den Vorschlag, mit dem Hospital eine Arbeitsanstalt zu
verbinden; denn die Stadt sei mit vielen arbeitsfähigen Armen geplagt. Dieser
Plan konnte jedoch nicht verwirklicht werden. Es fehlte an geeigneten Räumen.
Solche waren weder im Spitalgebäude zu finden noch in dem damaligen Krankenhaus
, dessen Lage folgendermaßen angegeben wird: „hinter dem 'Römischen
Kaiser' linker Hand der Langestraße, ohnweit des Stadtgrabens", vermutlich das
Haus Webergasse 23, das jüngst abgerissen wurde. Die Gebäulichkeiten des säkularisierten
Franziskanerklosters, die man für sehr geeignet hielt, konnten nicht
erworben werden. Man spielte mit dem Gedanken, die Klosterkirche, die damals
nicht benützt wurde - die Augustiner Chorfrauen mit dem Lehr- und Erziehungsinstitut
zogen erst 1823 ein —, in einen Arbeitssaal verwandeln zu können. Schließlich
hielt man es für möglich, im ebenfalls säkularisierten Kapuzinerkloster 30
Kranke unterbringen und zwei Säle für 100 Arbeiter bereitstellen zu können.
Alle Überlegungen erwiesen sich als aussichtslos. Am 30. Januar 1813 traten das
Oberpflegamt und das großherzogliche Kreisdirektorium zu einer Beratung zu-
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