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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
53. Jahresband.1973
Seite: 102
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Der Vergleich erweist das unterschiedliche Profil beider Marienklagen und ebenfalls wohl
der Bedingungen, unter denen sie entstanden; wobei, um hier wieder Stegmüller11 zu folgen
, das zuweilen „Peripherische und Absonderliche" des Rastatter Gebetbuches nicht
unbedingt repräsentativ ist für seine Gesamttendenz. Eher legt es als Ganzes Zeugnis ab
von einer schlichten, einfachen, theologischer Spekulation fernstehenden Frömmigkeit
- vielleicht das Zeugnis jener „Devotio moderna, der die Brüder vom gemeinsamen Leben
auch in Süddeutschland frühzeitig Eingang verschafften".

Doch diese berührt sich zugleich auf komplizierte Weise mit der populären, absinkenden
Mystik, die der Wanderprediger Heinrich von Nördlingen in Konstanz und Basel missionarisch
verbreitete. Ähnliches vertrat nur wenig später der Straßburger Rulman Merswin,
Haupt der „Gottesfreunde aus dem Oberland", welchem Kreis auch die Schriften des
Basler Franziskanerlektors Otto von Passau sowie des Straßburger Minoritenprovinzials
Marquard von Lindau angehören12; er ist seinerseits beeinflußt von seinem Beichtvater
Tauler, der (mit unio mystica als Quelle der vita activa!) der bürgerlichen Opposition
so verwandt sich zeigte wie Seuse dem höfischen Minnedienst: beide innerhalb der auf
ihren posthum verurteilten Ordensbruder und gemeinsamen Lehrer Eckhart, zeitweiligen
Magister wiederum in Straßburg, zurückgehenden mystischen Theologie. Dieser hier etwas
summarische Abriß ergänzt das eingangs Gesagte über deren Entwicklung und Differenzierung
; sie vollzieht sich gänzlich innerhalb eines, nämlich des 14. Jahrhunderts.
Mit all dem ist der Kontext des Rastatter Gebetbuchs, und dessen Ort darin, annäherungsweise
bezeichnet. Die Absicht, ein bestimmtes Denkmal nicht isoliert zu behandeln,
sondern exemplarisch, als Schnitt- und Brennpunkt des vielgestaltigen historischen Prozesses
, macht zwar zum einen den interdisziplinären Horizont vorliegender Untersuchung
erforderlich; er wird jedoch andererseits gleich wieder eingeschränkt durch ihren regionalen
Aspekt, den der Gegenstand selber erzwingt. Wenn immer in ihrem Verlauf Ortsnamen
fielen, fügte es sich, daß stets aufs neue die Bischofsstädte Straßburg, Basel, Konstanz
zu nennen waren (kein Wunder in einer Zeit geringerer Mobilität von Personen
und, mangels Buchdruck, auch Gedanken). Sie stecken den weiten Rahmen einer Landschaft
ab, auf deren Kulturgeschichte auch der hiermit erstmals edierte Text einer Marienklage
, recht betrachtet, einiges Licht zu werfen vermag - so wie dieser wiederum nur
aus seinem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang heraus zum Sprechen gebracht
werden kann.

•i A. a. O., S. 78.

12 Weiteres Material besonders zur elsässisdien und Straßburger Tradition bietet: Wieland Schmidt, Zur
deutschen Erbauungsliteratur des späten Mittelalters. In: Kurt Ruh (Hrsg.), Altdeutsche und altniederländische
Mystik (= WdF XXIII). Darmstadt 1964, S. 437—461.

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