http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1973/0108
Sehen wir einmal von der herben Betrachtung unseres Reisenden ab, der ganz
außer acht läßt, daß der Zuzug auch aus wirtschaftlichen Gründen erfolgte4, so
steht die abfällige Bemerkung über den Legationsrat in so offenkundigem Widerspruch
zu dessen Amt, daß sie zu weiterer Nachforschung und Überprüfung
herausforderte. Wenn Ehrmann zuvor vom „berüchtigten" Herrn de Rochebrune
sprach, so darf man vermuten, daß er beim Volke nicht gerade hoch im Ansehen
stand.
Die Suche nach Rochebrune in Dijon gestaltete sich schwierig, da er in der Liste
der Advokaten beim Parlament unter diesem Namen nicht aufgeführt war5.
Königlicher Prokurator in der Zitadelle von Straßburg
Ein wichtiger Anhaltspunkt für die Tätigkeit Rochebrunes vor seiner Kehler
Zeit fand sich bei Johannes Friese in seiner Darstellung des Klinglinschen Prozesses6
.
Francois-Joseph de Klinglin hatte 1725 die Nachfolge seines Vaters Jean-Baptiste
als königlicher Prätor in Straßburg angetreten7. Da er Amt, Macht und persönliche
Bereicherung vorteilhaft zu verknüpfen wußte, wurde er am 25. Februar 1752
verhaftet und in die Zitadelle gebracht. Einige Wochen später folgte ihm sein
Sohn Francois-Christophe-Honore in die Untersuchungshaft. Die Anklage warf
dem Prätor die Veruntreuung öffentlicher Gelder, Bestechung und Erpressungen
sowie Mißbrauch der königlichen Gewalt vor. Friese berichtet, daß der gefangene
Prätor den Herrn Rochebrune, Königl. Prokurator in der Zitadelle8, zu seinem
Verteidiger nahm. Angesichts der schwerwiegenden Belastung Klinglins, bedeutete
dies für Rochebrune ein besonderer Vertrauensbeweis. Der Prätor starb am 6. Februar
1753 in der Haft, aber der Prozeß wurde gegen seine Familie weitergeführt,
so daß Rochebrune auch weiterhin die Interessen der Familie vertrat. Daß er die
Verteidigung des später als „Bauernschinder und Volksunterdrücker"9 verschrieenen
mächtigen Prätors in dem Aufsehen erregenden Prozeß übernahm, brachte
ihm sicherlich die Sympathien jener ein, die Nutznießer der Klinglinischen
Amtsführung waren, keinesfalls aber die des Magistrats, denn „Klinglin und
4 Vgl. dazu: Ingeborg Streitberger, Der königliche Prätor von Straßburg 1685—1789, Wiesbaden 1961, S.173;
Carl Löper, Die Rheinschifffahrt Straßburgs in früherer Zeit und die Straßburger Schiffleut-Zunft, Straßburg
1877, S. 117.
5 Ich bedanke mich an dieser Stelle für die Unterstützung und Auskünfte der Archives Municipales von
Dijon (8. 5. 1969, 9. 7. 1970 und 6. 7. 1971) sowie bei der Direction des Services d'Archives de Departement
de la Cote-d'Or bzw. des Archives Generales du Departement de la Cote-d'Or et de L'ancienne Pro-
vince de Bourgogne (4. 3. 1969, 9. 5. 1969 und 23. 12. 1971) in Dijon.
6 Johann Friese, Neue Vaterländische Geschichte der Stadt Straßburg, 1793, Bd. IV, S. 122.
7 Vgl. dazu: Ingeborg Streitberger, insbesondere den Abschnitt über Francois-Joseph de Klinglin: Der französische
Fiskalismus in Straßburg, a. a. O., S. 158 ff. und Friese, a. a. O., S. 65 ff.
8 Nach freundlicher Mittelung des Stadtarchivs Straßburg vom 16. 9. 1971 unterstanden die Militär- und
Zivilpersonen der Citadelle dem Intendanten oder der Militärbehörde. Nach Auskunft des Services Histori-
que de l'Armee in Vincennes vom 27. 10. 1971 stand Rochebrune nicht im militärischen Dienst. Weder die
Direction des Archives de France in Paris (Mitteilung vom 21. 9. 1971) noch die des Departement du Bas-
Rhin in Straßburg (Mitteilung vom 24. 9. 1971) fand Unterlagen über seine Stellung als Prokurator.
9 Ingeborg Streitberger, a. a. O., S. 164.
106
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1973/0108