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sei dagegen, faßte der Kardinal diese Erklärung als Einwilligung auf. Über
den Widerspruch des Kapitels setzte er sich als Bischof und Landesherr hinweg
, was vom Kapitel sehr übel aufgenommen wurde. Die im Bad liegende
Abteilung, die Ende Dezember etwa 430 Mann stark war, lehnte sich wegen
einer Verringerung des Soldes gegen die Offiziere auf. Diese suchten bei der aus
93 Mann bestehenden Jäger-Kompanie Schutz, der ihr aber verweigert wurde,
Erst die aus Ettenheim herbeigerufene Kavallerie konnte die Ruhe wiederherstellen
. Die Soldaten mußten sich aber auch weiterhin mit guten Vertröstungen
begnügen.
Wenn auch diese internen Schwierigkeiten mit der Truppe dem Kardinal laufend
Kummer bereiteten, so gaben die gewohnten Ausschreitungen der Soldaten
gegen die Bevölkerung weit mehr Anlaß zur Aufregung. Kaum waren
einige Wochen vergangen, seit ein Husar einen Wirt in Kappel mit einem Stich
in den Unterleib schwer verletzte, als am 4. Dezember die Jäger in Ettenheim
einen Ettenheimer Bürgersohn erschossen, der sich als Schneider anwerben
lassen wollte und ohne Erlaubnis über das Feld ging. Ob das Schmerzensgeld
von 6 Louisdor, das Ronan dem Vater des Erschossenen zahlte, das Leid der
Angehörigen lindern konnte, darf bezweifelt werden. Die Empörung der Bürgerschaft
blieb, und das OA Mahlberg berichtete am 7. Dezember: „Die Bürger
haben gegen die Soldaten und ihren Herrn Fürstbischof die gröbsten Beschimpfungen
ausgestoßen, und von dem Höchstdemselben mittels einer Deputation
verlangt, daß unter keinerlei Vorwand mehr Feuer auf jemand gegeben werden
solle."
Unter diesen Umständen war die Meldung des OA Mahlberg vom 21. Dezember
nicht verwunderlich: „Aus Ettenheimmünster sind zwei Klostergeistliche nach
Straßburg entwichen. Man hat sie dort in das Seminarium aufgenommen und
wird ihnen Pfarreien geben." Daß ausgerechnet zwei Geistliche seiner Diözese
sich nach Frankreich begaben, mußte den Kardinal besonders hart treffen.
Drei Wochen später, am 27. Dezember, passierte ein neues Unglück. Ein Soldat
stach einen Bürgersohn, der in der Haustür des Wirtshauses „zum Engel"
stand und den er mit einem anderen verwechselte, mit dem Säbel in den Unterleib
, „daß die Gedärme sich gleich aus der Wunde drängten". Der Täter
wurde zwar festgenommen und ins Gefängnis gebracht, aber die Bürgerschaft
glaubte es nicht und äußerte laut, man habe ihn nach Renchen geschickt und
so bleibe jeder Unfug und Unfall ungestraft. Das Leben des Verwundeten
konnte nicht mehr gerettet werden.
Angesichts dieser Vorfälle kann man sich die Weihnachtsstimmung der Ettenheimer
Bevölkerung gut vorstellen. Wenn gelegentlich davon die Rede ist,
daß der Kardinal sein früheres Leben durch sein würdiges Verhalten in Ettenheim
gesühnt habe, so wird dabei übersehen, daß er die volle Verantwortung
für das „zusammengelaufene Gesindel71" trug. Sollte der Kardinal am Christabend
des Jahres 1791 in Gegenwart des Pfarrers tatsächlich bitterlich geweint
und gejammert haben: „Stürmt denn alles Unglück auf mich los!", so wurden
dadurch die zahllosen Mißhandlungen nicht ungeschehen gemacht, die Toten
wurden nicht mehr lebendig. Wohlmeinende Bemerkungen, der Kardinal habe
sein gütiges Herz dadurch unter Beweis gestellt, daß er den Marktfrauen bei
der Kälte Holz zum Aufwärmen geschickt habe, was sicherlich anerkennenswert
war, stehen Beschwerden der Ettenheimer Genossenschaft über das viele
Holz gegenüber, das sich die Legion aus dem ohnehin unforstmäßig behandelten
Ettenheimer Hochwald hole, „welche große Consumtion auch die Hofhaltung
des Herrn Kardinal merklich vermehrt72".
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