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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
55. Jahresband.1975
Seite: 166
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1975/0172
den ist. Alt und Jung, Groß und Klein, schreibt die Sünden, die es zu bekennen
Lust hat, auf einen Zettel, übergiebt diesen dem gehörlosen Pater, läßt sich
von diesem einige Gemeinplätze vorhalten, und glaubt, sich so mit seinem Gewissen
leichten Kaufes abgefunden zu haben. Besonderen Anklang findet diese
Art zu beichten bei der leichtsinnigen Jugend und bei den grobem Sündern
aller Stände und aller Klassen der Gesellschaft. So daß diese Leute, die der
besonderen Belehrung, Leitung und Aufsicht des Seelsorgers bedürfen, seinem
Einfluße gänzlich entzogen werden. Nicht nur werden dadurch die heilsamen
Wirkungen der Bußanstalt vereitelt, sondern es wird auch die Achtung vor
diesem Kirchlichen Institute völlig vernichtet, denn es giebt der komischen
und bedauerlichen Auftritte bei dem schriftlichen Beichtgeschäfte so viele, daß
wir die Schranken des Anstandes überschreiten müßten, wenn wir eine nähere
Beleuchtung der Sache geben wollten. Die schädliche Rückwirkung dieser pöbelhaften
Verwaltung des Bußsakramentes auf die moralischen Zustände des
Volkes ist a priori so klar und evident, daß die nähern Beweise als nutzlos
und überflüßig erscheinen."

Man wird Pfarrer Jung echte Seel-„sorge" nicht absprechen können. Lesen
wir aber, wie Heinrich Hansjakob den gleichen Tatbestand beleuchtet:

„Er las an Sonntagen die Frühmesse sehr kurz und machte in der Osterzeit den
Beichtvater. Als solcher ward er nicht bloß von den lebenslustigen Bürgern fast
ausnahmslos benützt, sondern auch von jenen Bauern der ganzen Umgegend,
die einen feinhörenden Priester nicht gut brauchen konnten. Pater Leopold war
nämlich in den letzten Jahren seines Lebens stocktaub. Mit seiner Taubheit
hatte aber alljährlich der Zulauf der Mannsleute zu seinem Beichtstuhle zugenommen
. Ich erinnere mich noch gar lebhaft, wie damals in den letzten Tagen
der Büß- und Fastenzeit das Haus des Vetters Eduard von ,armen Sündern'
förmlich umlagert war; denn der Pater nahm die Beichte auf seinem Zimmer
ab. Allein wenn der greise Kapuziner auch nichts mehr hörte, so kannte er
seine Klienten doch allermeist und wußte, in welchem Spital sie krank lägen.
Hatte er auch von der Beichte des Sünders wenig oder nichts verstanden, so
machte er gleichwohl dem einen oder andern einen ganz passenden, scharfen
Kapuziner-Zuspruch, aber wegen seiner Taubheit so laut, daß die vor der
Zimmertüre und im Hausgang Stehenden alles hören konnten und sich höchlich
darüber freuten. Wochenlang nachher gingen dann diese ,Zuspräche' des
Paters unter den Haslachern um, die bei ihrem angeborenen Humor es nicht
lassen konnten, auch diese ernste Angelegenheit sich erheiternd darzustellen
." 84

Pfarrer Jung kommt zu dem Schluß, der Pater Leopold müsse versetzt
werden. Da aber der Katholische Oberkirchenrat in Karlsruhe eine Versetzung
nicht genehmigte, „weil das Kapuziner-Kloster Haßlach zur Für-
stenbergischen Domaine gefallen sey und daselbst ausgesprochen wurde,
die Mitglieder in ihrem Convente absterben zu lassen"85, verfügte das
Erzbischöfliche Ordinariat: „Vorläufig scheint nothwendig, daß der zum

84 Aus meiner Studienzeit, S. 35 f.

85 Erzb. Ordinariat Nr. 2433 vom 13. 4. 1843.

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