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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1976/0073
niedrigt zwischen den Beinen der französischen Schönen. Selbst der Spaß
des Speckdiebstahls in Westfalen (Abb. 4) verliert in Erlers Darstellung den
burlesken Ton, entbehrt der von Grimmelshausen bereitgestellten erzählenden
Momente. Die Figur des Possenreißers Simplicissimus wird zu
einer dämonischen Erscheinung, die um so unheimlicher wirkt, weil sie
als fast einheitlich schwarze Silhouette den vorderen Bildraum beherrscht,
das Geschehen sich vom Betrachter her in die Bildtiefe entwickelt. In fast
allen Illustrationen wird die Figur durch ihre ausschnitthafte, das ganze
Bildfeld beherrschende Darstellung in der vordersten Bildebene, meist
ohne große Hintergrundtiefe und ohne Detailangaben dem Betrachter so
unmittelbar konfrontiert, daß er einer Auseinandersetzung mit der Bildaussage
zum Text kaum ausweichen kann.

Von Klemms Kriegsimpressionen und Erlers expressiver Schilderung
seelischer Zustände unterscheidet sich Max Hunzikers Illustrationsstil
und damit seine Aussagen zum Text wesentlich.18 Der Schweizer Graphiker
geht in seinen Handätzungen von 1945 zu einer Textausgabe des
Simplicissimus bis zu einer absoluten Verfremdung des Romans. Hier wird
in 169 Blättern eine symbolisch-allegorische Aussage zum Text im Medium
des Bildes gemacht. Abstrahierend werden Einzelmotive herausgestellt.
Das Zwiegespräch zwischen Einsiedler und Knaben (Abb. 7), das im 8. Kap.
des I. Buches nicht in der sonst üblichen Ichform erzählt wird, sondern
wie ein dramaturgischer Dialog von Grimmelshausen mit der jeweiligen
Sprecherangabe versehen ist (wobei interessanterweise der Name Simpli-
cius von Anfang an dabei gebraucht wird, obwohl der Einsiedler ihm diesen
erst im Lauf des Diskurs gibt!) wird bei Hunziker auf eine enge Gegenüberstellung
der Gesichtsausschnitte von Simplicius und Einsiedler
zusammengedrängt. Das zögernd erstaunte Antworten des tumben Bub
wird in dieser Beschränkung auf die Darstellung der Mundpartien ebenso
eindringlich zum Ausdruck gebracht wie das väterlich zurückhaltende Zuhören
des Alten.

Der von Grimmelshausen eindrucksvoll und bildreich beschriebene Traum
vom sog. Ständebaum mit dem brutalen Kampf aller, um in die Höhe zu
gelangen, wobei er dem rücksichtslosen Tun und Treiben heutiger Soldaten
ein eigenes Kapitel (I, 16) widmet, wird von Hunziker in eigenwilliger
Weise, sich von der Textschilderung weit entfernend anschaulich gemacht.
Er gibt ein inhaltliches Destillat mit deutlichen Zeitanspielungen in Mütze
und militärischen Rangabzeichen auf dem Arm des sonst nackten „Reitenden
". 19

Immer wieder geht er so vor, z. B. wenn er die „glücklichsten" Kriegszeiten
des Simplicissimus als Jäger von Soest durch geputzte Offiziersstiefel
illustriert und damit beziehungsreich anprangert, oder in dem Blatt zu
der Erzählung Oliviers von seinen Kriegstaten, die aus Mord und Raub
bestehen (IV, 21). Er gibt Olivier hier die Züge Mussolinis! (Abb. 8, 9)

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