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bei ihm in Waldshut, er bei mir hier, und er wünschte sich hier anzusiedeln
und sein Vermögen herüber zu ziehen, das eben nicht unbedeutend ist, obschon
ihm die Leute hier sehr fremd scheinen. Er hat viel detaillierte Kenntnisse vom
Fricktal und kennt alle rechtschaffenen Personen von jeder Denkungsart und
läßt ihnen Gerechtigkeit widerfahren. Da Du das Fricktal organisieren wirst,
so wird er Dir hierin nicht wenig an Hand gehen können, um dieses Geschäft
ganz mit Ehren und dauerhaft zu vollbringen. Ich wünsche daher sehr, daß er
bald herüber zöge; ich finde kein Hindernis daran, denn, da er ein vortrefflicher
Arzt ist (besonders in venerischen Krankheiten, die er alle in 8 Tagen rein
wegheilt) und ein äußerst glücklicher Accoucheur (Geburtshelfer-E. D.), so
würde er durch seine Praxis ohne Zweifel mehr gewinnen als bei dem besten
Amte. Da er aber sehr schüchtern geworden, (woran die ausgestandenen Verfolgungen
, die Drohungen, der seichte und verstellte Hofton seiner seltenen Gesellschafter
, sein melancholischer Wohnort Schuld sind), so macht er Schwierigkeiten
, herüber zu kommen, ehe er einen Platz in Bern hat, wenn dieser auch nur
60 Ldors trüge. Ich habe ihm Kost und Wohnung bei mir angetragen, bis er
etwas erhält; allein ich zweifle, ob er dies hinreichend finden werde. Zwar
wünschte ich, daß er sogleich eine Stelle erhielte, nicht weil ich glaube, daß er
sie länger behalten werde, als bis seine Praxis im Gange sein wird, sondern
weil ich herzlichst wünsche, daß er seines österreichischen Aufenthaltes und
Umganges los werde, und weil ich sehr wünschte, ihn bei mir zu haben, indem
ich mit ihm ohne alle andere Gesellschaft, ohne ihn in allen möglichen Verhältnissen
nie glücklich sein werde; mein Herz hängt ganz an ihm. — Dolder
hat ihm zu verstehen gegeben, daß Du das Fricktal organisieren werdest: gewiß
sagte er dies, damit er begreife, daß Deine Empfehlung alles vermögen werde.
In jedem Fall verdrösse mich's nicht, wenn er unter die Wählbaren käme, und
die Republik verlöre bei seiner Ernennung sicher nichts; er hat sehr viele
Kenntnisse, liebt Freiheit und Ordnung und kennt die Menschen. Dolder versicherte
ihm, freilich nur beim Abschied, daß, wo er ihm dienen könne, es geschehen
würde. Ich verstand dies, weil ich Dolder kenne, meinem Bruder schien
dies nicht genug und ich lachte ihn aus. Er hat mir indes einige Überblicke über
die Einkünfte vom Fricktal eingeschickt, und er wird in Details eintreten; ich
habe jenen Überblick dem B. Dolder übergeben, so wie ich ihm einen durch
meinen Bruder berichtigten Aufsatz über das Fricktal übergeben habe. Ich habe
ihm gestern geschrieben, daß ich bei Gelegenheit wegen seiner in einem Brief
an Dich Meldung tun werde, was ich hiermit getan habe. Du würdest mir eine
brüderliche Gefälligkeit erweisen, wenn Du ein Wort an ihn schreiben wolltest,
wäre es auch nur unter dem Schein, gewisse Erkundigungen bei ihm einzuziehen
. Dies würde seine Hoffnung erhöhen und ich würde meinen Zweck eher
bei ihm erreichen. Wenn ich eine Stelle für ihn wünschte, so wäre es beim
Polizeiminister, wo er die vorzüglichste Arbeit wegen seiner Einsichten in die
Medizinal- und gewöhnliche Polizei liefern würde. Wenn er nur einmal angestellt
wäre, so könnte er Dir in der Organisation des Fricktales beistehen, welches
er mit so minderer Gefahr tun könnte, da er die Apotheke in Waldshut
samt seinen Gütern daselbst leicht verkaufen und seine Güter in Altbreisach
seinem Schwager in Freiburg für den Wert überlassen könnte. Übrigens will er
sich hier in Helvetien ein Nationalgut kaufen ..."
Karl F. fügte noch hinzu, Herzog solle den für Sebastian bestimmten Brief ihm
zusenden oder dem Bürger Heinrich, Kaplan in Lüggern (Leuggern-E. D.), der
alle seine Briefe jenem richtig übergebe.
Meyer (Fahrländer) setzte seiner Unterschrift „Protokollist des Finanzraths"
hinzu, was unter Freunden nicht üblich ist, so daß er offenbar auf seine neue
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