http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1976/0308
Der Aufsatz von Klaus Gertreis „Repräsentation und Zunftverfassung. Handwerkerunruhen
und Verfassungskonflikte in südwestdeutschen Städten vor der
Französischen Revolution" korrigiert das Bild „kleinstaatlicher Behäbigkeit"
(S. 277), das der Südwesten des alten Kaiserreiches nach traditioneller Auffassung
im 18. Jahrhundert bot. Unter den Beispielen, mit denen der Autor
seine Ansicht belegt, findet sich auch Lahr (S. 281 f.). 1726 sollen die Handwerker
gegen den Rat der Stadt einen „Bürgerausschuß" gebildet haben, der
sich in der Folgezeit immerhin so weit durchsetzen konnte, daß bei Differenzen
zwischen Rat und Ausschuß die übergeordnete Behörde angerufen werden
mußte. Dennoch, nach den Tumulten des Jahres 1772, erzwangen die Handwerker
Einsicht in das Stadtprivileg von 1337, in dem die freie Ratswahl zugesichert
war. Der Kampf um die freie Wahl — kein revolutionäres, sondern
altes Recht! — wurde vor dem Reichskammergericht ausgetragen. Angesichts
der zahlreichen Proteste und der revolutionären Zeichen aus Frankreich schrieb
das Amt Lahr besorgt an die Regierung: „Jetzo steigt dem Stadtrat und Deputierten
der Freiheitsgeist wieder aufs neue und mehr als jemals in die Köpfe..."
Jürgen Voss publiziert unveröffentlichte Briefe des Pfarrers und Archivars des
Bistums Straßburg, Philippe Andre Grandidier, aus den Jahren 1774—1777, der
als Philosoph, Theologe, Literat und Historiker eine bedeutende Rolle in der
katholischen Aufklärung im Elsaß gespielt hat und für die heutige Forschung
vor allem überlieferungsgeschichtlich wichtig ist, da er Einsicht in viele mittlerweile
verlorene Dokumente gehabt hat. Zu danken ist dem Herausgeber für
die bibliographische Ubersicht zur katholischen, besonders französischen Aufklärung
(S. 135 f.).
Besonderes Interesse bei Lesern der „Ortenau" dürften ferner der Aufsatz von
Franz Irsigler „Kölner Wirtschaftsbeziehungen zum Oberrhein vom 14. bis 16.
Jahrhundert" und das Verzeichnis der bei Gerd Tellenbach gefertigen Dissertationen
finden.
H. Raulff
„Zeitschrift für Stadtgeschichte, Stadtsoziologie und Denkmalpflege", herausgegeben
von Otto Borst in Verbindung mit Hans Herzfeld, Rudolf
Hillebrecht und Alexander Mitscherlich; Verlag W. Kohlhammer, 1974
(Band 1 und 2); 1975 (Band 1 und 2).
I
Mit dieser Zeitschrift haben wir das Publikationsorgan der Arbeitsgemeinschaft
für Stadtgeschichtsforschung, Stadtsoziologie und städtische Denkmalpflege vor
uns. Bevor wir die Zeitschrift selbst besprechen, sei ein Blick auf die Arbeitsgemeinschaft
, die sie trägt, gestattet. An ihrer Gründung und ihrem Bestand
haben die alten Reichsstädte der Ortenau: Gengenbach, Offenburg, Zell am
Harmersbach wesentlichen Anteil.
Es begann im September 1960 mit der 600-Jahr-Feier der ehemaligen freien
Reichsstadt Gengenbach. Bei den Fachvorträgen stellten die führenden Historiker
und Politiker allgemein fest, daß ein engerer Kontakt und ein Gedankenaustausch
zur Pflege der Stadtgeschichtsforschung und Bewahrung des mittelalterlichen
Stadtbildes unbedingt erforderlich seien. Ähnlich wie der Hansische
Geschichtsverein norddeutsche Städte zusammenfaßt, hoffte man, die oberdeutschen
Reichsstädte in einer Arbeitsgemeinschaft, die mehr sein sollte als nur
ein „Traditionsverband", zusammenzufügen.
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