http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1977/0045
herauszustellen, die sich ergeben aufgrund des intensiven Studiums der Quellen
zur Oberkircher Stadtgeschichte und nach der Lektüre wichtiger Dokumente der
drei übrigen ehemals bischöflich-straßburgischen Städte.
Die besondere Stellung der vier Städte Ettenheim, Renchen, Oberkirch und
Oppenau gegenüber den nichtstädtischen Untertanen des Bistums Straßburg
wird in der überlieferten Verleihungsurkunde der Stadtrechte an Oberkirch
sowie in denjenigen Urkunden, durch die sich die genannten Stadtgemeinden bis
ins 18. Jahrhundert ihre Stadtrechte von den jeweiligen Stadtherren bestätigen
ließen, stets mit den Begriffen „Freiheit, Rechte und Gewohnheiten" umschrieben
. Der gewichtigste dieser drei Begriffe ist zweifellos der Freiheitsbegriff,
dessen Hauptinhalt die persönliche Freiheit ist, die im Gegensatz zur Unfreiheit
der außerhalb der Stadt ansässigen leibeigenen Bauern gesehen werden muß
und durch die namentlich jeweils das freie Zugrecht der Stadtbewohner garantiert
wurde. Ein weiterer Bestandteil des Freiheitsbegriffes ist die städtische
Selbstverwaltung, aus der sich eine Reihe von Rechten ableiten läßt, wie z. B.
die Wahl der städtischen Beamten, die Ausübung der städtischen Gerichtsbarkeit
, die Erhebung von Steuern und Abgaben, die Setzung und Interpretation
von Recht, die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz von Handel und Handwerk
, die Fürsorge für Arme und Kranke, die Verteidigung der Stadt durch
Bürgeraufgebote sowie die Aufrechterhaltung der Ordnung und des Friedens in
der Stadt.
Unter dem Begriff „Gewohnheiten" verstanden die vier Stadtgemeinden das von
Generation zu Generation tradierte Herkommen der Stadt, das der Stadtherr
bei seinen Entscheidungen nicht übergehen durfte.
Tatsächlich respektierten die bischöflichen Stadtherren bis ins 16. Jahrhundert
die Freiheiten und Gewohnheiten ihrer ortenauischen Städte weitgehend, d. h.
also, daß die von den Bischöfen ernannten Amtmänner, die in Oberkirch und
Ettenheim residierten, kaum Einfluß nahmen auf die städtischen Belange. Einige
Beispiele mögen dies verdeutlichen:
Die Wahl des Zwölferrates, der den harten Kern der Stadtregierung bildete,
das städtische Gemeinwesen nach außen vertrat, Mittler zwischen dem Stadtherrn
und der Stadtbevölkerung war und auch als Gerichtsorgan fungierte,
wurde stets so durchgeführt, daß der Schultheiß, der Amtmann, die Zwölferräte
und andere Amtsträger der Stadt den Zwölferrat aus den anwesenden bzw.
vorgeschlagenen Bürgern der Stadt aufgrund der Mehrheitswahl ergänzten. Der
herrschaftliche Amtmann hatte demnach nur eine Stimme unter vielen.
Auch die Wahl des Stadtoberhauptes, d. h. des Schultheißen bzw. Vogtes, erfolgte
durch den Zwölf errat, wobei jedoch dem Stadtherrn ein aufschiebendes
Veto eingeräumt war. Vom Jahre 1500 an bis weit in die zweite Hälfte des
16. Jahrhunderts hinein verzichteten die Straßburger Bischöfe nachweisbar für
Oberkirch und Oppenau sogar auf ihr Vetorecht bei der Wahl des Schultheißen
und der übrigen städtischen Bediensteten.
Erwähnt sei überdies noch die Praxis der Steuerfestsetzung. Diese besorgten
maßgeblich der Schultheiß und der Zwölferrat der Stadt. Der Amtmann hatte
hierbei lediglich eine beratende Funktion. Der Stadtherr billigte in der Regel
die von den städtischen Gremien getroffenen Steuerentscheidungen, denn er
wußte, daß die örtlichen Gremien die Einkommens-, Besitz- und Vermögensverhältnisse
der einzelnen Bürger genau kannten und von diesen Gegebenheiten
aus die Höhe des Steueraufkommens bestimmten.
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