http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1977/0046
Im 17. und 18. Jahrhundert veränderten sich die geschilderten Verhältnisse
grundlegend. Der herrschaftliche Amtmann gewann durch viele bischöfliche Verordnungen
immer mehr an Einfluß und Macht in den Stadtgemeinden und
unterhöhlte somit den Freiheitsbegriff der bischöflichen Städte im Einverständnis
mit dem Stadtherrn völlig. Vorarbeit dazu hatten im 16. Jahrhundert zuerst
die Bischöfe Wilhelm III. von Honstein (1506—1541) und Erasmus von Limburg
(1541—1568) geleistet, die durch ihre Statuten den städtischen Entwicklungsmöglichkeiten
aus eigener Initiative Grenzen setzten und den Freiheitsbegriff
nicht mehr nur nach den Vorstellungen der Stadtbewohner, sondern eher nach
ihrem Gutdünken interpretierten.
Ein weiteres Bestimmungselement für die bischöflich-straßburgischen Städte der
Ortenau liefern zwei Urkunden vom 4. und 13. Juli 1327, in denen die beiden
Städte Renchen und Oberkirch Bischof Johann I. von Straßburg gegenüber versichern
, daß die Freiheit, die Gnade und das Recht, die ihnen der hohe und
ehrwürdige Herr, ihr Herr Bischof Johannes von Straßburg, von König Friedrich
von Habsburg erworben habe, der Herrschaftsgewalt und dem Recht des
Bistums Straßburg und des Bischofs von Straßburg in Renchen und Oberkirch
keinerlei Schaden zufügen solle. Die beiden Kommunen, die in diesen beiden
Urkunden auf die ihnen verliehenen Stadtrechte von 1326 Bezug nehmen, bekennen
hiermit unmißverständlich, daß die Stadtrechte und damit die städtische
Freiheit für sie keineswegs äußere Autonomie bzw. Reichsfreiheit bedeuten
würden. Anders ausgedrückt heißt dies, daß die bischöflichen Städte der Ortenau
sich nicht von der bischöflichen Hoheitsgewalt freimachen wollten bzw. durften
und infolgedessen auch nicht die volle Staatlichkeit als freie Reichsstadt beanspruchen
konnten, die beispielsweise die benachbarten Städte Offenburg,
Gengenbach und Zell retten konnten. An dieser Rechtsposition, aufgrund deren
die vier Städte des Bistums Straßburg in der Ortenau reichsmittelbare landesherrliche
Städte waren, änderte sich bis zum Ende der bischöflich-straßburgischen
Herrschaft im Jahre 1803 nichts.
Untersucht man die wirtschaftliche Struktur der vier Städte näher, dann ergibt
sich ein zusätzliches wichtiges Bestimmungselement dieser Kommunen. Die
meisten Stadtbewohner waren Handwerker oder einem anderen städtischen
Beruf zugehörig und daneben Landbesteller. Die Bürger versorgten sich weitgehend
selbst mit den nötigen Lebensmitteln, und ihre gewerbliche Produktion
wurde, soweit sie nicht für Kunden bestimmt war, von einem verhältnismäßig
engen Marktbereich aufgenommen. Die vier Städte gehörten demnach zur
Gruppe der sogenannten Ackerbürgerstädte mit Lokal- und Regionalmärkten.
In diesem Zusammenhang sei vermerkt, daß die Stellung der Gewerbetreibenden
in den vier bischöflichen Städten der Ortenau gegenüber den politischen
Organen der Stadt bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts nicht sonderlich
stark war, denn die leitenden Organe der Stadt übten auf sie einen nicht unbedeutenden
Einfluß aus. Die Gewerbetreibenden mußten beispielsweise stets
einen Eid auf die von den leitenden städtischen Organen verfaßten Handwerksordnungen
ablegen; sie waren ferner verpflichtet, vor den leitenden Organen der
Stadt die während des Jahres innerhalb ihres Handwerks vorgekommenen Vergehen
zu rügen, schließlich diktierten und überwachten die Inhaber der höchsten
städtischen Ämter die Preise und Marktvorschriften.
Innerhalb der vier Städte gelang es einzelnen Bürgerfamilien, sich solide wirtschaftliche
Grundlagen zu erarbeiten. Dies führte dazu, daß das Prinzip wirtschaftlicher
Gleichheit, auch wegen der relativ späten Machtausweitung der
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