Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
57. Jahresband.1977
Seite: 214
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werden, und das Volk an bestimmten Tagen Predigt und Gottes Wort nicht
versäumen; die Kinder sollen religiöse Unterweisung erhalten. Ebenso soll eine
Zuchtordnung hinsichtlich „Ebruch, Hurrerey, Sauffen, fressen, gots lesterung"
mit „straffen vnd penen" unnachgiebig eingehalten werden.

Die Verfasser des Schreibens schlagen nun eine Art „Zuchtinstitution" vor, die
aus mehreren Ratsmitgliedern und einem oder zwei bewährten Männern der
Gemeinde gebildet werden soll und zur Aufgabe hat, die Einhaltung der Ordnung
zu überwachen und „die Irrenden zu straffen, vermanen und bessern",
denn dies sei „wie auch in andern kirchen" notwendig.

Daß der Gengenbacher Rat einer Kirchenordnung zunächst ablehnend gegenüberstand
, ist kaum anzunehmen. Eine solche Haltung hätte wohl auch nicht,
nach all dem, was wir von ihm wissen, in sein Selbstverständnis als einziger
Obrigkeit in der Stadt gepaßt. Am Ende ihres Schreibens haben die Prädikan-
ten dann auch deutlich die politische Seite einer Kirchenordnung angesprochen,
indem sie die Vorteile einer solchen Ordnung für das gesellschaftlich-politische
Leben der Stadt besonders hervorhoben.

Der Ordnung werden folgende Früchte erwachsen:

1. „Es wurt den Herren vil vnruw ab dem hals komen."

2. „Item es wurt ain ghorsam volck geben."

3. „Item es werden sich vil vermanen lassen vnd bessern, die sunst zuschanden
wurden."

4. „Item brüderliche trew vnd lieb, züchtig leben, gottesforcht vnd alles guts."
Diese Punkte haben in den Ohren des Rats wohl geklungen, so daß er ein halbes
Jahr später eine Kirchenordnung für die Stadt erließ. Bevor dies jedoch geschah
, legten die drei obengenannten Geistlichen dem Rat die „Articuli" vor.98

In diesen Artikeln erscheinen die wichtigsten Punkte kurz angedeutet, die dann
in der späteren Kirchenordnung ausgeführt werden. Nach Kohls handelt es sich
entweder um eine unabgeschlossene Vorlage oder um einen Auszug aus einem
Entwurf.90

3. Die Kirchenordnung als Quelle für die Reformationsgeschichte der Stadt

Erst vor wenigen Jahren wurde die Gengenbacher Kirchenordnung mit dem
dazugehörigen Schreiben der Geistlichen vom Januar 1538 und den „Articuli" in
der Universitätsbibliothek Basel gefunden.100

Diese drei zusammengehörigen Dokumente stellen eine wesentliche Bereicherung
der Gengenbacher Reformationsgeschichte dar, da sie nach den Jahren
des Beginnens und Aufbaues der reformatorischen Kirche für uns wertvolle
Aussagen machen über die damaligen Verhältnisse, über Gedeihen und Erfolg
der Reformation in Gengenbach, aber auch über in diesem Zusammenhang entstandene
Probleme.

Die Kirchenordnung ist uns zwar ohne Datum überliefert, läßt sich aber
dennoch zwischen dem 14. Juli 1538 (Entstehung der Articuli) und dem Weggang
Erbs einordnen, der noch im Sommer 1538 erfolgte, so daß wohl im Juli
oder August die endgültige Fassung vorgelegen hat. Obwohl keine Verfasser
eigens genannt werden, können wir die Prädikanten, die in den vorausgegangenen
Schreiben hervorgetreten waren, und den Rat oder einige Ratsmitglieder,

98 „Articuli auß diser Refermation dem Rhatt Vbergeben 1538. 14 Junii"; s. Kohls, Evangelische Bewegung
, a.a.O. S. 40—44.

99 Kohls, ebd. S. 26—27.

100 ebd. Vorwort S. VI. Es handelt sich nach Kohls um ein handschriftliches Exemplar aus dem Nachlaß
des ehemaligen Gengenbacher Schulmeisters und Theologen Matthias Erb, der an der Abfassung der
Kirchenordnung beteiligt war und vermutlich bei seinem Weggang nach Reichenweier im Sommer 1538,
wohl unmittelbar nach Fertigstellung der Kirchenordnung, eine Abschrift der drei Dokumente mitnahm
. (Kohls, ebd. S. 25—28.)

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