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Diskretion erfolgt, daß das Geheimnis wohl bewahrt schien. Um so größer war
der Schrecken, als 1776 der Stiefbruder plötzlich in aller Öffentlichkeit Erbansprüche
zu stellen begann. Es kam zu einer Reihe von Prozessen, bei denen
Friedrich zunächst siegte. Dann aber verwandelte sich dieser Streit um das
Erbe allmählich zu einem politischen Prozeß. Jene Kreise, die bereits den
Halsbandprozeß des Kardinals Rohan benutzt hatten, um die Stellung der französischen
Monarchie zu untergraben, stellten sich unter Führung des Herzogs
von Orleans hinter Franz Joseph. Ihm gab schließlich der Advokat Bernhard
Albert aus Colmar den Rat, lediglich den Beweis dafür anzutreten, daß er der
Sohn seiner inzwischen verstorbenen Mutter sei. Da in Frankreich die Scheidung
der Charlotte Böcklin von ihrem Mann nicht anerkannt wurde, mußte
Franz Joseph damit als legitim gelten und konnte Ansprüche erheben. So lautete
denn auch das endgültige Urteil 1790. Friedrich mußte sofort die Hälfte
der elsässischen Besitzungen abtreten und die andere Hälfte so lange zur Verfügung
stellen, bis auch über die deutschen Güter eine Einigung erzielt sei.
Da hier das Urteil keine Gültigkeit hatte, ging der gesamte Besitz im Elsaß
sofort an Franz Joseph. Er heiratete umgehend die Tochter seines Anwalts,
kaufte das ehemalige Klostergut bei Kienzheim, wurde als Baron de Boeckel
später zum Maire ernannt und starb erst 1844. Seine Tochter heiratete den
Bankier Bastard, und ihren Kindern gab Napoleon III. die Erlaubnis, sich
„Bastard de Boecklin" zu nennen.
Wohl im Zusammenhang mit diesem Prozeß steht der überraschende Ubertritt
Friedrichs, seiner Frau und seiner jüngeren Kinder zum Katholizismus. Die
Idee stammte von Caroline, die sich davon einer vermehrte Unterstützung
durch Kardinal Rohan als Lehensherrn im Streit mit dem Stiefbruder versprach
. Für Friedrich selbst, der später Mitglied der Freimaurerloge „Am Morgen
zu Freiburg" wurde, haben bei aller persönlichen Religiosität Fragen der
Konfession nur eine geringe Rolle gespielt. Er scheint mit der Konversion zunächst
gezögert zu haben, gab aber dann auf das Drängen seiner Frau hin
nach.
Nachdem 1780 ein zwölftes Kind tot zur Welt gekommen war, entschloß sich
das Ehepaar zur Scheidung, kurz vor dem Übertritt zur katholischen Kirche.
Caroline hatte damals wohl berechtigten Anlaß zur Eifersucht. Nach der Trennung
zog sie nach Straßburg, wo sie sich vertieften philosophischen Studien
widmete. Als große Verehrerin des Mystikers Jacob Böhme führte sie ihren
Geistesfreund, den französischen Philosophen Claude de Saint-Martin, in die
Welt der deutschen Mystik ein. Sie blieb auch während der Revolutionszeit in
Straßburg und kam erst 1797 wieder in die Heimat. In Diersburg ist sie 1820
gestorben.
Friedrich blieb in Rust und errichtete dort im Auftrag des Fürsten von Anhalt
einen Werbeplatz für dessen Truppen. Als der Fürst vor Trauer über den Tod
Ludwigs XVI. starb, erbte die Kaiserin Katharina sein Privatvermögen und
ernannte Friedrich zum russischen Obersten mit einer ansehnlichen Pension.
So gelang es ihm, zum Staunen der Umwelt, trotz des verlorenen Prozesses,
seine Finanzen in Ordnung zu halten. Selbst die ständigen Einquartierungen
und sonstigen Kriegsverluste haben sein Leben nicht wesentlich beeinträchtigt.
Um Politik und Tagesereignisse hat er sich zeitlebens nicht gekümmert. So beklagte
er zwar in seinen Briefen die Zeitläufte und die Tatsache, daß er aus
einem freien Reichsritter nun ein badischer Untertan geworden war und nur
noch ein leeres Schilderhaus vor seinem Schloß stehen habe, aber seine vielfältigen
Interessen waren ihm geblieben und füllten seine Tage aus.
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