http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1977/0306
Sicherlich waren die Bemerkungen Hitlers zu diesem zentralen Problem
in Mannheim und in Offenburg nicht ganz so direkt, da er ein breiter
gefächertes Publikum vor sich hatte. Trotzdem blieb aber der Aussagegehalt
derselbe. An beiden Orten ging Hitler ausführlich auf ein Problem
ein, das sich durch seine Reden und Schriften seit 1920 wie ein roter
Faden verfolgen läßt: den Dreißigjährigen Krieg, dessen Ausgang verhindert
habe, daß Deutschland anstelle Englands die führende Weltmacht
geworden sei. „Wir können noch heute überzeugt sein", sagte Hitler in
Offenburg in Anspielung auf die Erfahrungen im 1. Weltkrieg, „das deutsche
Volk ist in seinem Durchschnittswert jedem anderen überlegen ...
Wir mußten erleben, daß Nationen, Portugiesen und Holländer sich mit
den Engländern die Welt aufteilten. Gehört hätte sie nur uns, denn keine
Nation konnte sich mit dem deutschen Volk an Kraft und Bedeutung vergleichen
. Heute ist es dasselbe."25 In Mannheim lautete die entsprechende
Passage: „... kein Volk hätte mehr Anrecht gehabt auf den Begriff Weltherrschaft
, als das deutsche Volk. Wir hätten das Recht gehabt und keine
andere Nation (stürmischer Beifall). Nicht England und nicht Spanien,
nicht Holland, keine andere Nation hätte unser inneres Recht gehabt aufgrund
ihrer Tüchtigkeit und auch ihrer Zahl, diese Weltherrschaft zu beanspruchen
. Wir sind bei dieser ersten Weltverteilung zu kurz gekommen
und stehen am Beginn einer neuen großen Umwälzung dieser
Welt".26 Als keineswegs abstrakt formulierte Frage ist daher auch der
folgende Abschnitt gegen Ende von Hitlers Rede in Offenburg anzusehen:
„Wann wird ein Volk auf dieser Welt siegen? Ich sage: Wenn es einen
großen Eigenwert besitzt, zweitens aber auch, wenn es in der Konstruktion
seines Staatslebens den Grundsatz berücksichtigt, daß genau so, wie
die Völker als geschlossene Masse im Wert voneinander verschieden sind,
die einzelnen Menschen verschieden sind, und daß ein Volk am höchsten
steigen muß, wenn sein Leben von den fähigsten Köpfen bestimmt
wird".27
Weniger deutlich als die außenpolitischen Zielsetzungen gerieten dagegen
in Hitlers Reden vor 1933 Stellungnahmen zum künftigen Verhalten gegenüber
den jüdischen Mitbürgern. Immerhin enthält auch das Offenburger
Dokument einige Zeilen, mit denen Hitler die innenpolitische Situation
der Weimarer Republik kommentiert und beziehungsreich bemerkt,
daß die streitenden Parteien „nun auf dem Wege der gewaltsamen Ausrottung
(!) glauben, die andere besiegen zu können".28 — Stärker als Hitler
selbst übernahmen in dieser Zeit andere nationalsozialistische Sprecher
den Part, die gewaltsame Lösung der ,Judenfrage' verbal vorzube-
25 BA NS 26/57.
26 Ebda.
27 Ebda.
28 Ebda.
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