http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1978/0057
Es scheintl68, daß in den letzten Jahren des greisen Gallus Bauten aus
Stein errichtet wurden, vor allem die Kirche. Sein Todesjahr liegt nicht
ganz eindeutig fest, aber es dürfte sich nahe bei der Mitte des 7. Jh's
finden 169.
Wesentlich schwieriger erscheint eine Aussage über die Weiterentwicklung
der Mönchsgemeinschaft im Steinachtal während der nächsten
60 oder 70 Jahre. So berichtet Tüchle in seiner Kirchengeschichte Schwabens
sehr positiv von diesem „Mittelpunkt eines sicher wirkenden
Kraftfeldes" 170 und von der Schenkung des Herzogs Godefrid an die
Galluszelle 171. Andere Historiker urteilen über diese Jahrzehnte äußerst
kritisch172. Daß sich der „Tribun" Waltram an Chur wendet, um den
Priester Otmar für die Leitung der Galluszelle zu gewinnen, wird
begründet mit Zuständen, die eine neue Leitung wünschenswert machen.
Wenn wir auch nichts Genaues wissen, wir wissen, daß die Galluszelle
besteht,73.
C. Das Mönchtum in unserer Heimat unter der Regel
des heiligen Benedikt.
Das Ansuchen des Waltram von Arbon beim Grafen Viktor in Chur um
den Priester Otmar, einen in Chur erzogenen Alemannen, liegt etwa 718.
Die Beweggründe Waltrams bleiben im Ungewissen, nicht dagegen die
Berechtigung: Die Galluszelle lag in seinem von den Eltern geerbten
Besitz174. Otmar trat 719 sein Amt an175. Wie das Leben des Gallus ein
stilles Leben, so war das Wirken Otmars ein unauffälliges Wirken. Was
mit den Jahren auffiel, war der Erfolg seines Einsatzes. Unter ihm heißt
168 Kap. 26 u. 27. S. 260 f.
169 Kap. 29 S. 266. S. 328 Anm. 99 Die Variationen sind zahlreich, bleiben aber im Rahmen. KG II 2. 120: „nach 629"
170 Tüchle 62.
171 Tüchle 62: 708 übergab der Herzog Godefrid auf Bittendes Priesters Magulf. des Leiters der Galluszelle, dieser den Ort
Biberburg bei Cannstatt. Tüchle nennt es die älteste Urkunde von St. Gallen und zugleich die älteste Urkunde
Württembergs.
172 Prinz 227 f.; ähnlich 240: Theodor Mayer, der sich im Aufsatz ..Konstanz und St. Gallen in der Frühzeit" gründlich mit
Waltram (ab 7191 abgibt, nimmt keine Stellung zur Zeit zwischen dem Tod des Gallus bis Waltram: in: Wolfgang
Müller. Zur Geschichte der Alemannen. Darmstadt 1975 {= Müllerl S. 430 481.
173 Prinz 228f. Herzog Gottfried, um 709 gestorben, kann unter Otmar nicht mehr als Spender erwartet werden. Tüchle
legt die Urkunde Gottfrieds auf 708; Bültner. Elsaß 118. setzt sie in der Zeit um 700 an.
174 Johannes Duft. Sankt Otmar. 1959 (= Duft, Otmar), lateinischer Text und deutsche Ubersetzung, S. 14 und S. 25.
175 Tüchle 77: ,,um 720". Ob Karl Martell hier eingegriffen hat? Die Vita nennt ..König Pippin", den es damals nicht gab.
Otmar wird knapp gekennzeichnet: ..parsimoniae sectator eximius" (S. 26). „ein außerordentlicher Freund der
Einfachheit" (S. 27): man sieht ihn. wie er unterwegs ist „auf dem sanften Rücken eines billigen Eselchens": Vita
Kap. 2. Im gleichen Kapitel wird seine Sorge für die Armen, und da wieder besonders für die Aussätzigen gerühmt.
Duft zeichnet mit wenigen Strichen Otmar in seiner Zeit: „Um in allen diesen Wirren und Parteiungen zu bestehen,
hätte es eines überaus wendigen Politikers bedurft. Otmar jedoch war - wie die erzählenden Quellen deutlich zeigen -
in seinem Herzen der volksverbundene Alemanne und in seiner ganzen Tätigkeit der um seine Anvertrauten besorgte
Mönchsvater. Weil er seine persönliche Überzeugung und die Freiheit seines Klosters nicht der Umbruchszeit
opferte, fiel er selbst der Politik zum Opfer" (S. 69).
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