http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1978/0212
die Stiftsherren aufgefordert, dem Dekan Gehorsam zu leisten. Verboten
ist ihnen das Tragen von Waffen; sie sollen das Konkubinat vermeiden,
gut lesen und singen lernen, zur hl. Messe nüchtern an den Altar treten,
keinerlei Gewalttätigkeit ausüben58.
Die sittlichen Zustände werden in Hönau kaum besser, aber auch nicht
schlechter als sonstwo in anderen Stiften gewesen sein. Nachlässigkeit
im Gottesdienst, Unenthaltsamkeit, Konkubinat, Gewinnsucht, Gewalttätigkeit
sind die Anklagepunkte, die in den Synodalbeschlüssen und den
Chronisten schon im 13. Jh. auftreten und später immer wiederkehren59.
Leider haben jedoch diese Quellen naturgemäß ihren Nachteil; darin
werden die schlechten Seiten betont; von den unzähligen guten, ja
heiligen Klerikern aber wird nichts berichtet.
3. Die Verlegung nach Rheinau. - Wegen der vielen Überschwemmungen
und der ständigen Abspülungen des Rheines, konnte das Chorherrenstift
nicht mehr in Hönau bleiben. Probst, Dekan und Kapitel baten den
Straßburger Oberhirten um Verlegung ihres Sitzes nach Rheinau.
Bischof Konrad III von Lichtenberg kam ihrem Wunsche nach am
7. September 129060 und wies ihnen das Dorf Rheinau zu, wo ihre
Stiftskirche neu gebaut wurde und zu dem hl. Michael noch die hl.
Apostel Peter, Paul und Andreas als Patrone erhielt61. Der Straßburger
Bischof handelte in seiner doppelten Eigenschaft als Inhaber sowohl der
kirchlichen als auch der weltlichen vogteilichen Gewalt. Mit den
Stiftsherren gingen sämtliche Reliquien, auch der irischen Heiligen
(Abtbischöfe, Brigida und sogar, wie es heißt des hl. Amandus62) nach der
neuen Heimat.
Das Dorf Hönau, das sich um das alte Schottenkloster gebildet hatte,
unter der Herrschaft des Kapitels und die Pfarrkirche bestand weiter mit
ihren Rechten auf die Nachbarsdörfer Wanzenau und Abertzheim. Erst
1468 trennte der Bischof die beiden letztgenannten Dörfer ab und
Wanzenau erhielt eine eigenen Pfarrkirche mit allen Rechten einer
Pfarrei. Die Notwendigkeit dieser Loslösung von Hönau war dadurch
begründet, daß der Rhein seinen Lauf von Osten nach Westen verschoben
und zwischen Hönau und Wanzenau seinen Talweg gegraben hatte. Die
58 Grandidier-Ublin, Oeuvres inedites, Bd 3 (Colmar 1865), nr. 399. S. 363-365.
59 Siehe das darüber zusammengetragene Material für das 13. Jh. in: L. Pfleger, Die elsassische Pfarrei, Ihre Entstehung
und Entwicklung. Straßburg 1936, 258-259. - Auch Ch. Schmidt, Histoire du chapitre de SaintThomas, Strasbourg
1860, 176-177.
60 Or. in Archives departementales du Bas-Rhin. Straßburg. G 69 (1). - Text veröffentlicht von Mone ZGO 4 / 1853,
276-280. Zusammengefaßt in RBS II nr. 2289.
61 Barth, Hdb 1117.
62 Clauss, Die Heiligen (oben Anm. 5), 30 f. u. 190. An der Echtheit der Amandus-Reliquien darf mit Recht gezweifelt
werden.
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