http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1978/0377
In der Zeit von 1550-1600 scheinen die Straßburger Bischöfe auch einen
gewissen Einfluß auf die Wahl der Pröpste ausgeübt zu haben. Aber die
Bischöfe deutscher Herkunft und ihre deutschen Generalvikare leiteten
daraus keinen Rechtsanspruch ab und achteten die Privilegien des
Klosters.
Die Verhältnisse änderten sich, als Angehörige des fürstlichen Hauses
Rohan den bischöflichen Stuhl von Straßburg bestiegen. Sie kannten
nicht die deutsche Sprache und hatten kein Verhältnis zu dem im
Reichsgebiet geltenden Recht. Meist lebten sie in Paris. Ihren politischen
Vorstellungen entsprach der französische Absolutismus, der keinen
Staat im Staate duldete und den Klöstern keine Sonderstellung
zubilligte.
Schon der erste der Rohan, Armand Gaston M. de Rohan-Soubise, der
1704 Bischof von Straßburg wurde, ließ 1705 nach der Wahl des Abtes
Engelbert Matthis den Konvent durch seinen Generalvikar daran
erinnern, daß ihm die Wahlurkunde zur Bestätigung vorgelegt werde. Bis
zur Ausstellung der Konfirmationsurkunde dürfe der Neugewählte keine
Weihe vornehmen und keine Jurisdiktion ausüben101.
Ernstere Spannungen traten auf, als 1731 einer der bischöflichen
Beamten von Bauern auf klostereigenen Gütern Steuern erheben wollte.
Als sie die Zahlung aufgrund der Privilegien des Stiftes verweigerten, ließ
er unter Anwendung von Waffengewalt ihre Häuser verbrennen. Die
Kanoniker trugen daraufhin den Fall dem kaiserlichen Hofgericht in
Wien vor, bei dem er bis 1742 anhängig war. In diesem Jahr erklärten sich
Abt Joachim Bahr und das Kapitel bereitW2, dem Bischof den Titel eines
„dominus territorialis"103 zuzugestehen, wenn er andererseits die
Privilegien von Allerheiligen anerkenne. Die Räte des Bischofs nahmen
zwar das Schriftstück in Empfang, aber bekräftigten es nicht.
Der Streit brach in voller Schärfe aus, als der Hechinger Karl Pulser
(1756-1766) zum Abt gewählt wurde. Bischof war damals L. C. Constantin
de Rohan-Guemenee, der vor seinem Eintritt in den geistlichen Stand
Schiffskapitän gewesen war. Ihm teilte der Abt seine Wahl mit und bat
ihn, 3 Benediktineräbten zu gestatten, ihm die Abtsweihe zu erteilen104.
In seiner Antwort erklärte der Bischof, nur dann die Erlaubnis zu geben,
wenn sich das Allerheiliger Kapitel verpflichtet, ihm den Tod des Abtes
und den Tag der Abtswahl zu melden, bei den Vorbesprechungen zur
Wahl einen bischöflichen Kommissär zuzulassen und die Wahlurkunde
101 GLA 84/9 (Schreiben vom 16. 10. 1705).
102 GLA 84/62 (Schreiben an den Generalabt in Prem. v. 8. 10. o. J ).
103 Bei der Vielfalt der Rechtsverhaltnisse im alten Deutschen Reich kann keine eindeutige Bestimmung des Begriffs
dominus territorialis gegeben werden. Er beinhaltet auf keinen Kall die unumschränkte Macht des ,,Landesherrn" in
seinem Gebiet.
104 GLA 84/62 (Schreiben v. 22. 9. 1756).
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