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oft nur unter Schwierigkeiten aufnehmen konnten, und gleichzeitig den
besonderen Erfordernissen, derer Anfallkranke bedürfen, zu ihrem Recht
verhelfen. Besonders hemmend wirkte sich nach dem 1. Weltkrieg die von
der französischen Besatzung verhängte Verkehrssperre aus, so daß es
nicht möglich war, das für die Pflege notwendige Personal auf dem
erforderlichen Stand zu halten. So lesen wir im Bericht von Frau Maria
Heinsius:
"Von den Schwestern forderte die ganze Kriegs- und Nachkriegszeit
große persönliche Opfer. Es fehlte an jüngeren Kräften zur Entlastung
der älteren, und auch die Pflege wurde mühsamer, dadurch daß fast keine
leichteren Fälle mehr in die Anstalt kamen, sondern Angehörige und
Fürsorgeämter sich nur im äußersten Notfall zur Unterbringung in der
Anstalt entschlossen. Es fand sich aber trotz aller drängenden Anforderungen
des Tages doch die Möglichkeit, für die Schwestern die Kurse in
Krankenpflege und Hygiene, Anatomie und Physiologie fortzuführen,
die Dr. Vortisch schon während des Krieges begonnen hatte und die nun
durch Vorträge über Bibelkunde und Kirchengeschichte von Missionar
Stolz ergänzt wurden. So kam es, daß die Schwestern gerade in den
Jahren, in denen die Zukunft des Werkes so schwer bedroht schien, zu
einer festeren Gemeinschaft zusammenwuchsen und ihrem Dienst treu
blieben, obwohl sie anderswo bessere Bezahlung hätten finden können.
Pfarrer Wiederkehr schreibt im Jahresbericht 1922: „Die Schwestern
haben hier eine Heimat und Gemeinschaft gefunden, in der sie sich wohl
fühlen. Sie haben auch die innere Genugtuung, daß sie durch das Opfer,
das sie gebracht haben, die Anstalt durch die schwerste Zeit durchgehalten
und allen, Gesunden und Kranken, die Heimat bewahrt haben, die
ihnen schützendes Dach, Brot und Arbeit geboten hat."
Dieses stärkere Gemeinschaftsbewußtsein drückte sich nun auch darin
aus, daß im Abendgottesdienst des Erntedankfestes 1928 zum ersten Mal
eine feierliche Aufnahme von zwei Probeschwestern in die Schwesternschaft
stattfand. Auch wurde zu dieser Feier eine neue, noch heute
getragene Tracht für alle Schwestern angefertigt. Es war dies noch keine
Einsegnung, wie es in den Diakonissenhäusern üblich ist, aber doch ein
Schritt auf dem Wege zu einem noch engeren Zusammenschluß. Leiterin
der Schwesternschaft war jeweils die Hausmutter des Werkes, die auf
diese Weise die Einheitlichkeit der Mitarbeiterschaft gemeinsam mit dem
Leitenden Pfarrer wahrte.
Damals kam auch als weiterer Arbeitszweig ein Altersheim dazu, das im
leergewordenen Schloß eingerichtet wurde.
An Gottes Hand durch die Nationalsozialistische Zeit (1934-1945)
So schwer die Zeit nach dem 1. Weltkrieg war, die schwerste und
belastendste Zeit begann im „3. Reich", vor allem mit dem Gesetz zur
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