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Als sechsjähriger Knabe hat er dieses Ereignis miterlebt und wurde, wie alle
Bewohner der Häuser an Kinzig und Schiltach, vor den reißenden Fluten evakuiert
. Erst „am andern Tag", so berichtet er, „konnten wir wieder in unser
Haus auf dem Grün einziehen. . . Aber wie hat es da ausgesehen! Es hatte Löcher
vor den Häusern mannshoch und in den Häusern zwei bis drei Fuß tiefen
Schlamm."3
Und sehr viel enger noch als die Stadtbrände des 16. Jahrhunderts, denen
nochmals schwere Brünste 1791 und 1833 folgten, liegen die Jahre der Hochwasser
und der Eisgänge beisammen. Besonders gefährlich wurde es immer,
wenn, etwa im Gefolge der Schneeschmelze oder von Wolkenbrüchen, beide
Flüsse, die Kinzig und die Schiltach, über die Ufer traten. Dann konnte es vorkommen
, daß, wie 1778, Särge vom Schramberger Friedhof angeschwommen
kamen oder auch in Schiltach die Gräber verwüstet und Leichen freigelegt
wurden, wie zuletzt im Jahre 1919.4
Es scheint, daß man in unserem Schiltach in früheren Zeiten selten ruhig und
friedlich hat leben können. Zu dem Wüten der Elemente gesellten sich kriegerische
Ereignisse, die oft genauso urplötzlich und verheerend über das Städtchen
hereinbrachen, wie es etwa der damalige Pfarrer Morgenstern für den
31. März 1799, den Konfirmationstag, berichtet: „Schon hatten die Glocken
zum Gottesdienst gerufen, als sich auf einmal französische Truppen auf der
Staig sehen ließen. Panischer Schrecken fiel auf alle Einwohner, so daß Predigt
und Konfirmation eingestellt werden mußten. Die Franzosen lagerten sich
hier, pflanzten vor der Kirche zwei Kanonen und einen Pulverwagen auf, ließen
oben auf der Staig Bäume fällen und den Weg verhauen und plagten die
hiesigen Bürger fast bis aufs Blut. . ."5
Was Wunder, wenn es in Schiltach nie zu allgemeinem Wohlstand kam, wenn
es hier kein anderen Städten vergleichbares Patriziat gab. Ist in den Quellen
von Schiltach die Rede, so fehlt das Wort „Armut" selten, und seine Bewohner
werden des öfteren, wie im Freiheitsbrief des Jahres 1430, als „arme
Leut" angesprochen, der herschaftlichen Hilfe dringend bedürftig.6
Von den sage und schreibe 140 Handwerksmeistern und Geschäftsleuten, die
1720 in Schiltach Arbeit und Brot suchten, galten nur die 22 Schiffer, die
12 Gerber und die 4 Färber sowie die 10 Wirte als wohlhabend, alle anderen,
etwa die Bäcker, Hafner, Krämer, Metzger, Sattler, Schneider, Schreiner,
Schuhmacher, Seiler, Wagner oder Zimmerleute litten an der Überbesetzung
3 A. Ch. Trautwein, Handschriftliche Selbstbiographie (in Privatbesitz), S. 8 ff.
4 Vgl. H. Fautz, Die Flurnamen von Schiltach im Amt Wolfach, Heidelberg 1941, S. 9f. — Vgl. auch: G. El-
wert, Stamm- und Familienbuch der Familie Dorner aus Schiltach, Schwäbisch Hall 1932, S. 35. — Mündliche
Überlieferung in Schiltach.
5 Vgl. M. Mayer, Eine durch Franzosen gestörte Konfirmation, in: Evangelisches Kirchenblatt von Schiltach-
Lehengericht Nr. 2/1929. — Vgl. auch: Schiltach — Schwarzwaldstadt im Kinzigtal, a. a. O., S. 110.
6 Vgl. H. Fautz, Die alten Lagerbücher als Quellen für die Geschichte der Gemeinden Schiltach-Stadt und Lehengericht
. Schiltach erhält das Stadt- und Marktrecht, in: Die Ortenau 33 (1953), S. 72—88, hier S. 74f.
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