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ihrer Berufe, klagten über wenig Arbeit und geringen Verdienst und hatten oft
nicht das Geld, um sich die notwendigen Materialien zu beschaffen. Viele von
ihnen werden einfach als „arm" oder „schlecht bemittelt" bezeichnet, mit
dem Zusatz, daß sie mangels Arbeit sich als Taglöhner verdingen mußten.7
Möglich war eine Existenz nur als „Ackerbürger": Während der Mann seinem
Handwerk nachging oder als Floßknecht und Waldarbeiter etwas Bargeld
verdiente, rackerten sich die Frau und die Kinder auf den steilen und steinigen
Äckern ab und versorgten die Kuh oder einige Geißen, die bis in unser Jahrhundert
hinein in fast jedem Hause standen. Wie schlecht die Lebensverhältnisse
tatsächlich waren, das beweisen nicht zuletzt die Auswanderungen des
vorigen Jahrhunderts, in dem zahlreiche Schiltacher in den Vereinigten Staaten
und in Südamerika eine neue Heimat suchten.8
Unsere Stadt und ihre Bewohner, das zeigt der Blick in die politischen und
wirtschaftlichen Verhältnisse der letzten Jahrhunderte mit bedrückender
Deutlichkeit, waren weder von den Zeitläuften noch von den natürlichen
Grundlagen der Lebensbedingungen begünstigt oder von ihnen auch nur wenigstens
ab und zu in Ruhe gelassen worden. Im Gegenteil, die Sorgen und
Nöte, die das Dasein den Menschen sowieso nicht erspart, wurden sehr oft
durch Katastrophen zusätzlich beschwert und vergrößert, die ihre Ursachen
ganz offenkundig in der Ungunst der Lage unseres Ortes besaßen: Die engen
Täler, deren Bäche zu reißenden Flüssen anschwellen können; die steilen Hänge
, die eine landwirtschaftliche Nutzung mühsam und wenig ergiebig machen;
die vorbeiführende Straße, die Freund und Feind sehr leicht den Weg nach
Schiltach finden ließ; das felsige und abschüssige Terrain des Städtchens selber
, das schwer und nur mit großem Aufwand zu bebauen war und dessen verwinkelte
Enge den verheerenden Bränden geradezu Vorschub geleistet hat.
Es ist kein Geheimnis, daß — wenn ich mich so ausdrücken darf — „die Last
seiner Lage" Schiltach bis heute drückt: Im Landesentwicklungsplan gilt der
Raum unserer Gemeinde zugleich als „strukturschwach" und als „von der
Natur benachteiligt".9 Und Bürgermeister Peter Rottenburger, der sich in einem
Beitrag für das soeben erschienene Schiltachbuch mit den strukturellen
Problemen seiner Stadt auseinandergesetzt hat,10 nennt einige aktuelle kritische
Punkte der Gemeindeentwicklung: An erster Stelle stehen die rückläufigen
Einwohnerzahlen, auch auf Grund von Wanderungsverlusten, vor allem
von jüngeren Einwohnern mit qualifizierter Ausbildung, die in Schiltach oft
nicht die entsprechenden Arbeitsplätze finden können. Drückend sind die
7 Vgl. H. Fautz, Die Handwerkszünfte in einer Schwarzwälder Kleinstadt, in: Mein Heimatland 26 (1939), S.
211—221, hier S. 218f. — Vgl. auch: Schiltach — Schwarzwaldstadt im Kinzigtal, a. a. O., S. 299ff.
8 Vgl. die Bevölkerungsentwicklung von Schiltach und Lehengericht, in: Schiltach — Schwarzwaldstadt im
Kinzigtal, a. a. O., S. 449. — Vgl. auch: H. Fautz, Abriß der Geschichte der Stadt Schiltach, Schiltach 1953,
S. 9.
9 Vgl. auch: Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden, Bd. 1,
Stuttgart 1974, Kartenbeilage Nr. 5.
10 P. Rottenburger, Schiltach — gestern — heute — morgen, in: Schiltach — Schwarzwaldstadt im Kinzigtal,
a. a. O., S. 370—378.
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