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1855 die Leitung der bayrischen Irrenanstalt in Werneck übernahm und 1886
zusammen mit König Ludwig IL im Starnberger See ertrank, Richard von
Krafft-Ebing, der Wiener Psychiater, u. a.29.
Die religiöse Betreuung
Roller war der Ansicht, daß zur Heilung der Geisteskranken nicht nur medizinische
Mittel angewendet werden sollen, sondern auch jene, die auf Geist und
Seele einwirken. Darum wies er auch der Seelsorge ihren Anteil am Heilungsvorgang
zu.
So schrieb die Hausordnung von 1862 vor, daß für die einzelnen Abteilungen
gemeinsame Morgen- und Abendandachten gehalten, daß vor jeder Mahlzeit
Tischgebete gesprochen, außerdem im Tagesverlauf Stunden zur religiösen
Unterweisung festgesetzt werden.
Jede der beiden großen christlichen Konfessionen hatte einen amtlich angestellten
Pfarrer, der in der Anstalt wohnte. Seine Seelsorgetätigkeit erstreckte
sich nicht nur auf die Kranken, sondern auch auf das Personal seines Bekenntnisses
. Die altkatholischen Kranken betreute der Pfarrer der altkatholischen
Kirchengemeinde Offenburg und die mosaischen Glaubens der Rabbiner von
Bühl. Im Gottesdienst und in privaten Aussprachen bot sich ihnen die Möglichkeit
, auf die Kranken einzuwirken. Für den Gottesdienst stand die Anstaltskirche
zur Verfügung, eine Simultankirche, die 1843 für den evangelischen
Gottesdienst und 1844 nach katholischem Ritus eingeweiht wurde. Einen
Kirchenpatron, wie es sonst bei katholischen Kirchen üblich ist, scheint sie
nicht besessen zu haben. In ihr hielten die Katholiken sonntags um 8 Uhr, die
Evangelischen um 10 Uhr ihren Gottesdienst. Jede der beiden Konfessionen
hatte einen eigenen Altar, eigene liturgische Gefäße, einen eigenen Mesner,
während der Musiklehrer der Anstalt in beiden Gottesdiensten orgelte. Trotz
dieser strengen Trennung war das Verhältnis der beiden Konfessionen zueinander
gut, denn auch die Pfarrer verstanden sich als Glieder der Illenauer Familie
. Große Verdienste erwarben sie sich um das geistige Leben der Anstalt,
indem sie für Kranke und Personal Vorträge nicht nur über religiöse, sondern
auch über kunsthistorische Fragen hielten, Lichtbilder zeigten und Theaterstücke
einübten, bei denen auch die Kranken mitwirkten. 1905 wurde die Ille-
nau in eine kath. Pfarrkuratie und im gleichen Jahr in eine evangelische Seelsorgestelle
umgewandelt.30
In der Anfangszeit betreute der evangelische Hausgeistliche auch die wenigen
Evangelischen in Achern und seiner Umgebung, in Bühl, Renchen und Oberkirch
.31 Mit Erlaubnis der Anstaltsleitung hielt er in der Anstaltskirche für sie
29 Verzeichnis der in der Wenau bis 1903 tätigen Arzte, in: F. Brandt, Illenau, Karlsruhe 1903, S. 83 und
85—86.
30 Verzeichnis der in der Anstalt bis 1903 tätigen evangelischen und katholischen Geistlichen in: F. Brandt, Illenau
, S. 83 u. S. 87.
31 K. L. Spitzer, Aus Acherns Vergangenheit, Heidelberg 1908.
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