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ganz zu schweigen. Fast versteht es sich von selbst, daß Hausenstein mit Frau
Margot auch in Tutzing in ihrer Muttersprache Französisch sprach.
Gemeinsam mit ihr vollzog er an Ostern 194087 in aller Stille den Übertritt zur
römisch-katholischen Kirche, wobei Pfarrer Luitpold Kuhnmünch beide geistlich
betreute. Die ungezählten religiösen Gespräche fanden auch im Tagebuch
ihren Niederschlag. Der rastlose Autor der Weimarer Jahre: welche Möglichkeiten
verblieben ihm während des „Dritten Reiches", als die Presse gleich-
und alle Nicht-Konformisten ausgeschaltet wurden? Hat am Ende auch er
dem Zeitgeist Konzessionen gemacht, mußte auch er mit den Wölfen heulen,
und wäre es, um seine Existenz zu erhalten?
Nein auf alle diese Fragen!
Schon eine Woche nach dem Zusammenbruch notiert er88 mit unüberhörba-
rem Stolz in sein Tagebuch: „Wohl aber gehörte etwas dazu, zwölf Jahre lang
bemüht zu bleiben, journalistisch das Gute als solches, um seinetwillen rein zu
pflegen, in einem Stil, als ob es den Hitler und seine Halunken überhaupt
nicht gegeben hätte, und gleichwohl unter täglicher Gefahr. Aus den zehn
Jahrgängen des Literaturblatts und der Frauenbeilage der Frankfurter Zeitung
, die von mir redigiert worden sind, würde keine künftige Generation
auch bloß schließen können, daß sie in der Zeit des Hitlerismus geleitet und
geschrieben wurden: so gänzlich sind sie an dem Regime vorüberredigiert"89.
Als sei nichts geschehen, hatte Hausenstein weiterhin Aufsätze und Berichte
zur Kunst, über Mittelalter und Barock, über literarische Neuerscheinungen
veröffentlicht und nur die zu Wort kommen lassen, die gleicher Gesinnung
waren: Benno Reifenberg, Walter Dirks, Max von Brück, Theodor Heuss. . .
Es waren viele, die sich weigerten, den Herrschern des Tages Tribut zu zollen.
1936 war Hausenstein aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen worden
, seine „Kunstgeschichte"90 wurde nicht mehr ausgeliefert. Er ließ sie zwei
Jahre später lieber einstampfen, als sich dazu zwingen, Namen jüdischer
Künstler daraus zu entfernen und sie nach den nationalsozialistischen Prinzipien
umzuschreiben.
Am 5. Mai 1943, rückwirkend gültig seit 1. Mai, war auch über Hausenstein
das totale Publikationsverbot verhängt worden. Aber welch ein Paradox! —
Sein Buch „Wanderungen auf den Spuren der Zeiten" wurde für die Frontbuchhandlungen
von der Heeresleitung in einer Auflagenhöhe von 5 000
Exemplaren genehmigt. Es blieb ihm der Trost, in der Stille seines Studierzimmers
, in der Gemeinschaft mit seiner Frau, in der geliebten Umgebung der
Voralpenlandschaft und der Nähe Münchens leben und, wenn auch in zunehmender
Isolierung von seinen Freunden, sich mit der Weltliteratur beschäftigen
87 Vgl. W. Dirks. Das Porträt, in: Frankfurter Hefte, 1950, S. 648.
88 15. Mai 1945, Licht unter dem Horizont, S. 357.
89 Ebda.
90 Kunstgeschichte. Berlin 1927.
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