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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
62. Jahresband.1982
Seite: 108
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So glich das Leben des barocken Herrschers mehr als jedes andere einer
zwecklosen Wanderung auf hohem und zudem schwankendem Seil; sein einziges
Glück lag im Vergessen. „Gründe, weshalb man die Jagd der Beute vorzieht
. Das ist die Ursache, daß die Menschen so sehr den Lärm und den Um-
trieb schätzen, der Grund, daß das Gefängnis eine so furchtbare Strafe, der
Grund, daß das Vergnügen der Einsamkeit unvorstellbar ist. Und so ist
schließlich das größte Glück der Könige, daß man bemüht ist, sie unaufhörlich
zu belustigen und ihnen jede Art Vergnügen zu verschaffen. — Der König
ist von Leuten umgeben, die nur daran denken, ihm Zerstreuung zu verschaffen
und ihn zu hindern, über sich nachzudenken; denn er ist unglücklich, so
sehr er König ist, wenn er daran denkt. — Das ist alles, was die Menschen erfinden
konnten, um glücklich zu sein. Und die, die darob den Philosophen
spielen und die meinen, daß die Menschen sehr wenig vernünftig seien, wenn
sie den Tag damit verbrächten, einen Hasen zu jagen, den sie nicht geschenkt
haben möchten, die kennen kaum das menschliche Herz. Dieser Hase könnte
uns nicht davor schützen, an den Tod und unser Elend zu denken, die Jagd
aber, die uns davon ablenkt, tut es."23 Soviel nur aus Pascals ,Pensees'; diese
Sätze sind dem Jägerlouis wie auf den Leib geschrieben.

„Die traurige Melankoley wohnt mehrentheiles in Pallästen."24 Und aus diesem
Grund blieb der Fürst ihnen fern und ging auf die Jagd — aber noch aus
einem weiteren, tieferen. Denn mehr als die anderen Divertimenti, die er sonst
erdenken und erproben mochte, war die Jagd dazu geeignet, ihm zu vergegenwärtigen
, daß er wirklich ein Herr und Herrscher war, dem selbst noch die Natur
zu Füßen lag.

„Dir dienet alle Kreatur
Für dir muß alls sich neigen,
Botmäßig muß sich die Natur
des Ganzen dir erzeigen."25

Diese Verse bezeichnen sehr genau das Verhältnis des barocken Fürsten zur
Natur: mit absolutistischem Anspruch verlangte er ihre Unterwerfung. Davon
zeugen — auch im Umkreis des Jägerlouis — die mit größtem Aufwand angelegten
und gepflegten Schloßgärten, wo die Natur, so sehr sie widerstrebte, in
ein geometrisches Schema gepreßt wurde; die Naturalienkabinette, Orangerien
und Menagerien, wo sie zu seiner Verherrlichung beitragen mußte; und
eben die Jagd. Die sagenhaften Gestalten, mit denen sich die Fürsten gern
verglichen und vergleichen ließen, wurden schon genannt; aber noch viel lieber
hörten sie von Nimrod, dem Enkel Noahs, von dem es in der Bibel (Gen
10, 8—9) heißt, daß er nicht nur „ein gewaltiger Jäger vor dem Herrn", son-

23 Blaise Pascal, Über die Religion und über einige andere Gegenstände (Pensees). Übertragen und hrsg. von
Ewald Wasmuth. 2. Aufl. Berlin 1940, S. 78f. (Nr. 139); vgl. auch S. 84f. (Nr. 142).

24 Zit. nach Walter Benjamin, Ursprung des deutschen Trauerspiels. Frankfurt/M 1969, S. 155.

25 Zit. nach Willi Flemming, Deutsche Kultur im Zeitalter des Barocks. 2. Aufl. Konstanz 1960, S. 260.

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