http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1982/0232
Der ,, Volksfreund"-Redakteur Anton Fendrich
Für Adolf Geck stand es von Anfang an fest, daß er die Vertragsänderung,
nach der von der Leitung des Blattes keine Rede mehr war, dem Nutznießer
Anton Fendrich zu verdanken hatte. Noch am 10. März 1918 erhebt er im
„Alten" den Vorwurf der Fälschung: „Dabei ist sogar eine Vertragsfälschung
angewendet worden, um anstelle Gecks dem Redakteur Fendrich die Oberleitung
des Blattes zu sichern". Der Offenburger Fendrich, am 8. April 1868 geboren
, war in jungen Jahren für einige Zeit Redakteur beim „Volksfreund" in
Braunschweig. Angeblich ging er dort weg, weil er „ein Gegner des in der Sozialdemokratie
kursierenden Atheismus und der radikalen Phraseologie"
war,36 aber diese Version scheint nach einem Brief von A. Günther, dem Eigentümer
der Zeitung, an Adolf Geck doch zweifelhaft.37 „Der 21jährige Fendrich
bekam gleich 275.— Mark monatlich; als auch der „Landbote" eingeführt
wurde, verlangte er 300.— Mark monatlich. Das führte zu fortwährenden
Streitigkeiten in der Preßkommission, bis er gekündigt wurde. Von Opfer
bripgen kann bei dem keine Rede sein. Er beherrschte hier das ganze Parteile-
beh und drängte die alten Genossen in den Hintergrund. Er hat, wie alle diese
Leute, hier opulent gelebt ..." Nach dem Ausscheiden sei er zunächst nach
Brüssel gegangen. Eine Bestätigung dieses Urteils liefert ein Brief der „Volks-
freund"-Redaktion in Braunschweig, der wohl späteren Datums ist: „Fendrich
ist hier s. Z. entlassen worden, weil er sich der Arbeitspflicht entzog,
sich wochenlang in der Schweiz aufhielt, statt in der Redaktion. Davon, daß
ihm ein Majestätsbeleidigungsprozeß drohte, ist hier keinem älteren Genossen
bekannt. Als von den Bürgerlichen gelobten Schriftsteller mag er sich jetzt
wohl außerordentlich wohl fühlen, zumal der klingende Erfolg stark damit
verbunden ist. Besten Gruß August Wesemeier".38
Als Fendrich aus Brüssel zurückkam, „wo er das politische Büro Kauliz führen
half" (Geck), übernahm er am 19. Januar 1898 als Nachfolger von Otto
Zielowski die Offenburger „Volksfreund"-Redaktion. Seine Offenburger Redaktionstätigkeit
fiel in die Zeit der beginnenden Auseinandersetzungen mit
Bernstein, der in den Jahren 1896—98 in der von Karl Kautsky geleiteten
„Neuen Zeit" kritisch „Probleme des Sozialismus" behandelte. Angefacht
wurde der Streit um den Revisionismus vom Chefredakteur der „Sächsischen
Arbeiter-Zeitung" Alexander Helphand (Pseudonym: Parvus), der mit einer
Artikelserie „E. Bernsteins Umwälzung des Sozialismus" vom 28. I.—6. 3.
1898 scharf gegen Bernstein Stellung nahm.39 Der mit Bernstein sympathisierende
Fendrich ergriff Anfang September die Feder, um im Hinblick auf
den vom 3.—8. Oktober 1898 in Stuttgart stattfindenden Parteitag Bernstein
noch vorsichtig taktierend Schützenhilfe zu leisten. Dort wurde Rosa Luxemburg
, die inzwischen die Nachfolge des ausgewiesenen Parvus als Chefredakteurin
angetreten hatte, von Fendrich scharf angegriffen. Sie war auch auf eine
Formulierung Bernsteins eingegangen, die in der Kurzfassung: „Die Bewegung
ist alles, das Endziel ist nichts!" fortan zur Losung der Revisionisten
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