http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1982/0270
Amt würdig auszuüben vermochte, hatte er schon früher bewiesen. Als er
nach seiner Wahl am 18. 12. 1905 zum 2. Vizepräsidenten der 2. Kammer gewählt
worden war und sowohl der Präsident als auch der 1. Vizepräsident für
kürzere Zeit ihr Amt wegen Erkrankung nicht ausüben konnten, war die Reihe
an ihm gewesen: „So präsidierte der ,rote Vize' nach den Ferien die achte
und neunte Plenarsitzung. Der sozialdemokratische Patriarch Geck in wallendem
Busch und Bart machte keine schlechte Figur auf dem Präsidentenstuhl.
Die politische Öffentlichkeit beachtete und besprach dieses Ereignis, das erstmals
einen Sozialdemokraten auf den Präsidentenstuhl des badischen Landtags
brachte, in lauter Form und als Zeichen der Zeit."126 Was die Unabhängigen
nun wirklich zu dem Vorschlag von Marum äußerten, läßt sich mangels einer
Niederschrift von ihrer Seite nicht ergründen. Nicht nur die etwas hämische
Bemerkung Oefterings:
„Vielleicht dachte auch mancher, daß er wegen seiner Phantastereien doch nicht ganz am Platz
wäre", läßt an seiner Objektivität gegenüber Geck zweifeln, zumal er an anderer Stelle berichtet:
„Einzelne Anhänger der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei fühlten sich in den Erwartungen
betrogen, die sie an den Umsturz geknüpft hatten. Vor allem waren sie enttäuscht, daß ihr
Führer Adolf Geck nicht zur Revolutionsregierung gehörte. Die Gründe, die zu seiner Ablehnung
geführt hatten, waren ihnen unbekannt, und so redeten sie sich grollend in eine Oppositions-
Stimmung hinein".
Daß die Frage der Qualifikation überhaupt nur eine sehr bedingte Rolle spielte
, unterstreicht die Schilderung Köhlers: „Auf irgendeine besondere Qualifizierung
des Vorgeschlagenen wurde nicht immer ausschlaggebenden Wert gelegt
. Es hieß nur: Wer kommt für das Ministerium in Betracht? Dann wurde
irgendein Name genannt". Den Unabhängigen Schwarz nahm man wegen seiner
Funktion als Vorsitzender des Mannheimer Soldatenrats in die Regierung.
Wer Brümmer vorgeschlagen hatte, wußte Köhler nicht zu sagen. Er nahm
erst an, als man ihm einen geeigneten Mitarbeiter in Aussicht stellte. Auch der
von Marum nominierte und in Abwesenheit zum Ministerpräsidenten ernannte
Anton Geiß fühlte sich dem Posten nicht gewachsen; er reiste extra von
Mannheim nach Karlsruhe, um seine Ablehnung mitzuteilen. Dort traf er zuerst
den Minister Dietrich, dem er erklärte: „Ich gehe gleich wieder weg; ich
will nur sagen, daß ich mein Amt nicht annehme, das sei eine Aufgabe, die ich
nicht zu leisten vermöge".127 Wenn Dietrich dennoch Geiß zum Bleiben nötigte
, so deshalb, weil dieser für die bürgerlichen Parteien seine Qualitäten besaß
, die gerade für die Übergangszeit von besonderem Wert erschienen. Köhler
sah das hervorstechendste Merkmal seines Charakters in dessen absoluter
Versöhnlichkeit: „er machte sich zum Beispiel gar nichts daraus, beim Verfassungsjubiläum
im August 1918 vom Großherzog den Zähringer Löwenorden
1. Klasse anzunehmen und die monarchistische Auszeichnung auch zu
tragen".
Im Gegensatz zu Geiß war bei Adolf Geck das Verhältnis zu Großherzog Friedrich
II. erheblich vorbelastet. Im September 1906 war ihm als dem zweiten
268
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1982/0270