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weil diese Pfarrei seit tausend Jahren dem Stift inkorporiert war und beide Institute
mehr oder weniger dieselbe Geschichte hatten. Erklärtes Ziel Stöbers
war es, seinen Nachfolgern Materialien zu vermitteln, aus denen sie eigene Erkenntnisse
schöpfen konnten. „In den Geschichten", bemerkte er im Vorwort
, „erhält man die Wissenschaft aus dem Beispiele der Vorgänger, wie
man in manchen Zufällen und Ereignissen klug handeln und sicher zu Werke
gehen soll. Oft findt man in Geschichten die Rechte, die man besitzt, die Vortheile
, die man zu genießen hat. Oft lernet man aber auch aus den Geschichten
falsche Vorurtheile von geschehenen Sachen, betrügliche Vorspiegelungen
von unächten Gerechtsamen, falsche, erdichtete Mährlein zu seinem und anderer
Nutzen erkennen und einsehen."
Als Vorlagen nannte er wie in seiner lateinischen Ausarbeitung Urkunden,
Akten und die Aufzeichnungen früherer Geschichtsschreiber am Ort, namentlich
das Druckwerk des P. Martin Stephani, dem er insofern Wert beimaß, als
jener Unterlagen benutzt hatte, die alle im Verlauf des Dreißigjährigen Kriegs
abhanden gekommen waren: ,,Denn, da eben in diesem Kriege das Archiv des
Klosters nach Freyburg im Breysgau ist geflüchtet worden, sind zwölf Küsten
desselben den Schweden in die Hände gefallen, welche selbe mit sich in Schweden
gebracht, von wo sie Christina, die Königin, die Tochter und Thronfolgerin
des Königs Gustav Adolf mit sich nach Rom genommen, da sie sich zur
katholischen Religion bekannte, wo sie noch in der vatikanischen Bibliothecke
von dem berühmten Abte Calmet18 und von P. Benedict Riescher19, Großkellern
des Klosters Gengenbach und nachherigem Abte desselben Klosters, sind
gesehen worden. Der Abt Landelin hat sich zwar viele Mühe gegeben, diese
zwölf Küsten wieder zu erhalten, sie waren aber nicht mehr zu finden." Als
weitere Quelle führte schließlich Stöber sich selber an: ,,3tens habe ich auch
das zu dieser Geschichte gebraucht, was ich in 47 Jahren, die ich als Religiös
dieses Klosters durchgelebet habe, aus eigener Erfahrnis gewußt, gesehen, von
Augenzeugen vernommen und schon lange Zeit aufgezeichnet habe."
Seine deutsche Chronik unterteilte er in 32 Kapitel, womit das Gestaltungsprinzip
des ,,Monasterium D. Ettonis" aufgegeben war. Den Anfang macht
eine Ortsbeschreibung, gefolgt von Legendärem zum Klosterheiligen Landelin
, der ob seines Glaubens im Münstertal getötet worden sein soll, und zur
Klostergründung durch den Grafen oder Herzog Ruthart und den Straßburger
Bischof Etto. Die mittelalterliche Geschichte von Stift und Pfarrei ist jahrhundertweise
abgehandelt, die neuzeitliche, etwa ab 1550, für die zuverlässigere
Nachrichten vorlagen, jahrzehnteweise.
18 Augustin Calmet (1672—1757), u.a. Abt der Benediktiner-Abtei Senones in Lothringen, war einer der bekanntesten
Bibelkommentatoren des 18. Jahrhunderts. Er trat auch als Kirchenhistoriker in Erscheinung.
Vgl. Wetzer und Weite's Kirchenlexikon, Bd. 2, 21883, Sp. 1717ff.
19 Auch Rischer, Prälat von 1743 bis 1763. Vgl. Germania Benedictina, Bd. 5, S. 239.
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