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kaum von den Dörfern der Umgebung ab. Bei der Volkszählung im Jahre
1900 erwies sich, daß nur 36% der 3 962 Einwohner von Achern in der Stadt
selbst geboren waren. 47% waren aus anderen badischen Gemeinden (wohl
aus dem näheren Umland) zugezogen, 14% stammten aus anderen deutschen
Ländern und 3% aus dem Reichsausland. In Bühl waren dagegen 46% der
3 306 Einwohner in der Stadt geboren, 44% waren aus Baden, 9% aus sonstigen
deutschen Ländern und nur 1% aus dem Ausland zugezogen31.
Einen etwas genaueren Einblick in die Wanderungsbewegung gewähren die
Volkszählungen von 1839, 1852, 1875, 1885 und 1905, für die die Bevölkerungsangaben
nicht nur gemeindeweise, sondern auch nach Wohnplätzen veröffentlicht
vorliegen32. Aufschlußreich ist dabei ein Vergleich der Bevölkerungsentwicklung
in denjenigen Gemeinden der Vorbergzone und des
Schwarzwaldes, die aus einem oder mehreren geschlossenen Ortskernen und
aus zerstreut liegenden Einzelhöfen und Zinken bestehen.
In den Jahrzehnten besonders starker Ab- und Auswanderung, also etwa zwischen
den Zählungen von 1852 und 1875, nahm in fast allen diesen Gemeinden
nur die Bevölkerungszahl in den geschlossenen Siedlungen ab, während in den
Streusiedlungen die Einwohnerzahl zunahm. Erst nach der Zählung von 1875,
als die Bevölkerungszahl trotz fortdauernder, wenngleich zeitweise verminderter
Abwanderung wieder allgemein zunahm, war diese Zunahme in den geschlossenen
Dörfern stärker. In den Zinken und Höfen blieb sie geringer,
schlug in einigen Fällen auch in eine Bevölkerungsabnahme um, die sich nur
aus Abwanderung erklären läßt.
Wie läßt sich nun dieses Wanderungsverhalten deuten, das zunächst im Widerspruch
zu der landläufigen Vorstellung von einer Landflucht gerade aus
den abgelegenen Gebirgsorten steht? Vermutlich kommen mehrere Ursachen
zusammen. Einmal war zweifellos die wirtschaftliche Lage der klein- und unterbäuerlichen
Schicht in den Dörfern schlechter als die der Bauern auf den
Einzelhöfen und daher die Bereitschaft zum Wegzug größer. Gleichzeitig war
aber auch im Dorf die Informationsmöglichkeit größer. Dann wurden seit etwa
der Mitte der sechziger Jahre die Heiratsbeschränkungen gelockert. 1867
berichtete der Acherner Amtmann: „Die Gemeindebehörden gewöhnen sich
immer mehr, die Heirathsgesuche mit weniger Ängstlichkeit wie früher zu behandeln
"33. Insbesondere in den Hofsiedlungen führte das zu einer Zunahme
der Eheschließungen und der Geburten, übrigens auch zu einer Abnahme der
unehelichen Geburten. Da dort aber weiterhin in der Regel geschlossen vererbt
wurde, war die zuwachsende Bevölkerung zum Abwandern gezwungen34.
Die Wirtschaft
Wenn etwa seit den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts das Bevölkerungswachstum
in den beiden Amtsbezirken hinter der Gesamtentwicklung im
Großherzogtum Baden zurückblieb, so geht diese Erscheinung Hand in Hand
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