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fahrtslasten befand sich die Stadt Haslach damals, wie es in einem Schreiben
des Gemeinderats hieß, „am Rande des Abgrundes"23.
Das Thema „Arbeitsbeschaffung" zog sich wie ein „roter Faden" durch alle
Beratungen des Haslacher Gemeinderats in den Jahren 1930 bis 1933. Bis zu
200 Arbeiter, zum größten Teil Arbeitslose, wurden von der Stadt für Notstandsarbeiten
(Straßenarbeiten, Anlegen von Wegen im Stadtwald, Korrektur
des Gewerbekanals, Erschließung neuer Stadtteile) — oft allerdings nur
stundenweise — beschäftigt.24
Aber auch die katholische Kirchengemeinde versuchte, die Not der Arbeitslosen
und „Ausgesteuerten" zu lindern. Im September 1931 wurde die „Katholische
Notgemeinschaft" gegründet.25 Die in den Büroräumen des stillgelegten
Stahlwerkes eingerichtete Notküche der Notgemeinschaft gab im Winter
1932/33 täglich rund 300 Essen an die Bedürftigen Haslachs aus. Ein Essen
kostete für Erwachsene 20 Pfennige, für Kinder 10 Pfennige. Personen ohne
Einkommen bekamen das Essen kostenlos.26 Vom Dezember bis Juni 1932
wurden insgesamt 45 848 Essensportionen ausgegeben.27
Trotz Anstiegs der Nationalsozialisten und Kommunisten blieb Haslach
Zentrumsbastion
Die andauernde Wirtschaftskrise und die daraus resultierende Eskalation der
Arbeitslosenzahl bewirkte in Haslach ein rasches Ansteigen der Nationalsozialisten
und Kommunisten. Die Bevölkerung Haslachs bestand zum überwiegenden
Teil aus Kleinbürgern und Arbeitern. Während die Kleinbürger, Handwerker
, Geschäftsleute, Angestellte und Beamte, sich in zunehmendem Maße
dem Nationalsozialismus zuwandten, schloß sich ein beträchtlicher Teil der
Arbeiter der KPD an. Eine Aufschlüsselung der Berufszugehörigkeit der
NSDAP-Mitglieder in Haslach im Jahre 1932 zeigt28, daß die Arbeiter in dieser
Partei unterrepräsentiert waren, während selbständige Handwerker, kleine
Geschäftsleute, Angestellte und Beamte, im Vergleich zu ihrem Anteil an der
gesamten Einwohnerzahl, überproportioniert vertreten waren, eine Erscheinung
, die überall im Reich zu beobachten war.29
Traditionsgemäß besaß im katholischen Haslach wie in den übrigen katholischen
Gemeinden im Kinzigtal die Zentrumspartei ein solides Wählerpoten-
23 Schreiben des Gemeinderats v. 28. 8. 1932, StAH.
24 Bericht von Bürgermeister Selz über die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Stadt Haslach. Verwaltungssachen
XX/63, StAH. Vgl. auch AK v. 30. 1. 1934.
25 Vgl. Aufzeichnungen von W. Schille, Privatarchiv Schille. Werner Scheurer, Notgemeinschaften halfen den
Armen: Nächstenliebe kennt keine Schranken, „Offenburger Tageblatt" v. 6. 3. 1982.
26 „Kinzigtäler Nachrichten" v. 24. 11. 1932, im folgenden KN zitiert. AK v. 6. 12. 1932.
27 KN v. 18. 6. 1932.
28 Vgl. die Mitgliederliste der NSDAP-Ortsgruppe Haslach, die von 1932 bis 1945 erhalten ist und heute im
StAH aufbewahrt wird.
29 Heinrich August Winkler, Mittelstand, Demokratie und Nationalsozialismus. Köln 1972, S. 157ff., S. 175.
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