http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1983/0219
Als eines der ersten Unrechtsgesetze erließen die Nazis am 14. Juli 1933 das
„Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses". Dieses Sterilisationsgesetz
war nur ein Teil eines großangelegten, mehr und mehr ins Wahnhafte und
Bestialische entarteten Erb- und Rassenpflegeprogramms, dessen grausame
Höhepunkte durch die Selektionsrampen in Auschwitz ebenso markiert werden
wie durch die Euthanasie-Anstalten.184 Dieses Gesetz wurde in der Haslacher
NS-Presse immer wieder in großen Anzeigen propagiert. Die am 3. Dezember
gegründete Haslacher Ortsgruppe des Reichsbundes der Kinderreichen
wurde zum Propagandaforum dieses unmenschlichen Gesetzes. So erklärte
der Landespropagandaleiter des Reichsbundes Vogelsang bei der Gründungsversammlung
der neuen Ortsgruppe, der „Humanitätsdusel des alten Staates"
müsse im neuen Deutschland verschwinden. Eine gesunde Rassengesetzgebung
sei notwendig. Die Maßnahmen der Sterilisation richteten sich in erster
Linie gegen die Schwachsinnigen und Erbkranken, sie seien „die Minderwertigen
in unserem Volk"185.
Um die Haslacher Frauen für den Nationalsozialismus zu gewinnen, wurde
schon 1931 eine NS-Frauenschaft gegründet, die von Berta Weiß als „Führerin
" geleitet wurde. Sie war die Ehefrau des pensionierten Apothekers Paul
Weiß, der innerhalb der NS-Ortsgruppe Haslach eine einflußreiche Stellung
innehatte.186 Das Jungvolk, die Hitlerjugend (HJ), der Bund Deutscher Jungmädel
(BDJM) und der Bund Deutscher Mädel (BDM) hatte es schon 1932 gegeben
. Nach den Märzwahlen 1933 wurden in Haslach regelrechte Werbewochen
für die nationalsozialistischen Jugendorganisationen veranstaltet.187
Kreisleiter Heinrich Georg Baumann und HJ-Führer Xaver Uhl versuchten, in
Elternabenden die Eltern für die neuen Jugendorganisationen zu gewinnen.
Die Lehrer in Haslach wurden aufgefordert, „mit allen ihnen zur Verfügung
stehenden Mitteln werbend für die Jugendorganisationen des neuen Deutschlands
einzutreten."188 Höhepunkt dieser Werbekampagne war eine Großveranstaltung
des Jungvolks, der Hitlerjugend und des Bundes Deutscher Mädel
anläßlich des Badischen Jugendtages 1933 am 15. Juli auf dem Haslacher
Sportplatz, wo Kreisleiter Baumann die Jugend Haslachs aufforderte: „Haslacher
Buben und Mädchen hört zu: Die deutsche Revolution hat euch die
Bahn gebrochen, auf der ihr weitermachen sollt!"189
Die SA, SA-Reserve und SS existierten in Haslach seit 1931. Der SA-Trupp
Haslach umfaßte auch SA-Scharen aus Steinach, Welschensteinach, Bollenbach
, Schnellingen, Fischerbach, Mühlenbach und Hofstetten. SA-Truppführer
war Friedrich Schlenker. Insgesamt zählte der SA-Trupp Haslach 1933 et-
184 Kurt Nowack, Euthanasie und Sterilisation im Dritten Reich. Göttingen 1978, S. 119.
185 AK v. 4. 12. 1933.
186 AK v. 10. 11. 1933; W. Engelberg, Tagebuchaufzeichnungen, StAH.
187 AK v. 24. 6. 1933.
188 AK v. 23. 9. 1933 u. 6. 3. 1934.
189 AK v. 5. 7. 1933 u. 17. 7. 1933.
217
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1983/0219